Ein Theater für Filme

1950 existierten in Westdeutschland rund 4.000 Kinos – etwa so viele wie vor dem Zweiten Weltkrieg. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollte sich diese Zahl fast verdoppeln. Ein besonders schönes eröffnete gleich im Januar 1950 seine Pforten.

Vom 13. August 1949 bis zum 13. Januar 1950 entstand auf einem Trümmergrundstück an der Ecke Lotter Straße/Bergstraße ein Gebäude, das weit über Osnabrück hinaus für Schlagzeilen sorgte. Das neue „Ritz“ wollte kein simples Kino sein. Es präsentierte sich als gediegenes Lichtspieltheater, bot 1.000 Zuschauern Platz und war schon am Premierenabend restlos ausverkauft.

Ein bewachter Fahrradparkplatz, ein Kassenpavillon und fünf Glastüren; Blumen im Foyer, flauschige Teppiche, gediegene Gardinen und Ölgemälde; ein goldener Lorbeerkranz und weinrote Polstersessel: Das Team um den Architekten Fritz Stahlenburg hatte es an nichts fehlen lassen. Kein Wunder also, dass die Besucher am 13. Januar 1950 in Scharen zur Eröffnung des Kinos strömten, über dessen Gestalt und Inneneinrichtung seit Monaten Gerüchte kursierten.

Auf dem Programm stand der englische Ballettfilm „Die roten Schuhe“, doch zunächst erklang die Ouvertüre zu Carl Maria von Webers Oper „Oberon“, gespielt vom städtischen Symphonieorchester. Anschließend wandte sich der Architekt an das Publikum, ehe Josef Struchtrup das Wort ergriff. Er habe es als sein Lebenswerk betrachtet, seiner Heimatstadt „ein neuzeitliches Lichtspieltheater zu geben“, erklärte der Kino-Pionier, der im „Ritz Cinema“ der englischen Besatzungsmacht bereits Film-Vorführungen organisiert hatte. Später übernahm er mit dem „Rosenhof“ und dem „Roxy“ noch zwei weitere Kino-„R“s.

Nach Struchtrups Auftritt folgten Reden und musikalische Darbietungen, ehe das „Ritz“ seiner eigentlichen Bestimmung nachkam. Auch „Die roten Schuhe“ fanden ein begeistertes Echo, was sicher nicht für jedes Werk galt, das in den folgenden Jahrzehnten über die große Leinwand flimmerte. Trotzdem blieb das opulente Lichtspieltheater das repräsentativste und beliebteste Kino der Stadt, an das all jene, die es erlebt haben, bis heute gerne zurückdenken. Das „Ritz“ bot nicht nur große Premieren, sondern auch handfeste Skandale – etwa um den legendären Hildegard Knef-Film „Die Sünderin“ -, und obendrein immer einmal wieder Stars, die dem Publikum ihre Filme persönlich präsentierten.

Für die meisten Besucher war es aber vor allem ein Symbol des Wiederaufbaus. Gut möglich, dass sie hier deshalb nicht ins Kino, sondern tatsächlich ins Theater gingen. Umso größer war die Wehmut, als das „Ritz“ im September 1971 seine Tore schloss. Schon im Februar 1972 wurde es abgerissen.