Wer von Beethoven für talentiert gehalten und von Wagner geschätzt wurde, hätte dem kulturellen Gedächtnis eigentlich nicht entfallen dürfen. Doch Philip Cipriani Hambly Potter wurde augenscheinlich Opfer der kontinentaleuropäischen Fehleinschätzung, zwischen Purcell und Sullivan – wenn nicht gar Elgar – habe es keine englischen Komponisten von Format gegeben.
Der 1792 in London geborene Potter kam schon in seiner Geburtsstadt in den Genuss erstklassiger musikalischer Anleitungen, u.a. durch Thomas Attwood und Joseph Wölfl. In Wien traf er Ludwig van Beethoven und avancierte nach seiner Rückkehr zu einem der bedeutendsten Interpreten des Londoner Musiklebens.
Cipriani Potter brachte gleich mehrere Klavierkonzerte von Mozart und Beethoven zur englischen Erstaufführung, spielte überdies Mendelssohns 1. Klavierkonzert erstmals in England, schrieb daneben aber auch eigene Werke für Klavier und Orchester sowie insgesamt neun Symphonien.
Das „Introduzione e Rondo (alla militaire) in Es-Dur für Klavier und Orchester“ (1827) lässt erahnen, welch ein brillanter Pianist Potter gewesen sein muss. Atemberaubende Jagden über die Tatstatur und allerlei humoristische Einfälle machen das knapp 20minütige Werk zu einem veritablen Bravourstück, dem die junge Pianistin Claire Huangci viele reizvolle Seiten abzugewinnen weiß.
Das BBC National Orchestra of Wales unter der energiegeladenen Stabführung von Howard Griffiths ist Huangci ein hellwacher Begleiter. Dirigent und Klangkörper bestechen aber vor allem durch die phänomenale Einspielung der melodisch überaus einfallsreichen 1. Sinfonie in g-moll (1826) und die perfekt akzentuierte, spannungsgeladene Darbietung der Ouvertüre zu Shakespeares „Cymbelene“ (1837).
Dass diese wirklich zu Unrecht ins Abseits geratene Musik leidenschaftlicher gespielt werden kann, ist kaum vorstellbar. Aber man muss es versuchen. Denn sie sollte unbedingt sehr viel öfter gespielt werden!
Cipriani Potter: Symphonie No.1, Overture Cymbelene, Introduzione e Rondo for Piano & Orchestra, cpo