In Mexiko-Stadt hat das Aussetzen von dutzenden Amphibien im Februar 2022 für weltweites Medieninteresse gesorgt. Die Amphibien heißen Axolotl und sind eine besonders seltene Tierart. Tatsächlich sind Axolotl sogar so selten, dass es sie in der Natur nur in einem einzigen großen See in der Millionenmetropole Mexiko-Stadt und in wenigen kleineren Seen in seiner Umgebung gibt. Doch die seltenen Amphibien sind noch aus einem anderen Grund besonders, denn sie verlassen niemals das Larvenstadium und können Körperteile nachwachsen lassen.
Vier kurze Beine, ein langer Schwanz, ein großer Körper und büschelartige Kiemen am Hinterkopf. Axolotl haben ein einprägsames Äußeres und wirken auf den ersten Blick wie zu groß geratene Kaulquappen. Ausgewachsen werden die Amphibien etwa 23 bis 28 Zentimeter lang, wobei „ausgewachsen“ und „Amphibien“ Begriffe sind, die bei einem Axolotl für Verwirrung sorgen können. Denn Axolotl gehören zwar genetisch zu den Amphibien, an Land sind sie jedoch kaum zu sehen, denn sie durchlaufen keine Metamorphose. Stattdessen erreichen sie ihre volle Körpergröße und auch die Geschlechtsreife im Larvenstadium.
Das Ausbleiben der Metamorphose ist vermutlich eine evolutionäre Anpassung an ihren Lebensraum. Ursprünglich stammen Axolotl aus dem großen Texcoco-See und seinem umliegenden Gewässersystem. Dort hatten die Amphibien vermutlich keinen Vorteil durch eine Metamorphose, schließlich gab es in dem großen Gewässer alles, was sie zum Leben brauchen.
Endemischer Lebensraum
Auf einer Insel im Texcoco-See entstand im 13. Jahrhundert die Aztekenstadt Tenochtitlán, die bereits vor der Eroberung durch die Spanier rund 300.000 Einwohner hatte. Heute steht an gleicher Stelle die mexikanische Hauptstadt Mexiko-Stadt, in deren Metropolregion rund 21 Millionen Menschen leben. Der Texcoco-See und die umliegenden Feuchtgebieten, in denen die Axolotl lebten, mussten den Menschen weichen und wurden weitestgehend trockengelegt.
Der Lebensraum der Axolotl ist dadurch immer weiter geschrumpft, sodass sie heute nur noch im Xochimilco-See – im Süden von Mexiko-Stadt – sowie in kleineren Seen in der Umgebung vorkommen. Ihr Bestand in diesen Seen wird von der Weltnaturschutzorganisation IUCN auf 50 bis 1.000 Individuen geschätzt. Axolotl gelten damit als vom Aussterben bedroht.
Inzwischen leben vermutlich sogar mehr Axolotl in menschlicher Obhut als in ihrem ursprünglichen Lebensraum. Schlechte Wasserqualität und von Menschen ausgesetzte Fischarten setzten der Population in Mexiko zusätzlich zu. Die zoologische und wissenschaftlich begleitete Haltung – wie die im Zoo Osnabrück – ist deshalb besonders wichtig, um die stark gefährdete Art vor dem Aussterben zu bewahren.
Doch auch vor Ort ist das Bewusstsein für die seltenen Amphibien gestiegen. In der Nähe des Xochimilco-Sees sind in den letzten Jahren etwa 70 Zuchtzentren entstanden. Zusätzlich wird inzwischen besonders auf die Wasserqualität der Seen geachtet, da Forscher herausgefunden haben, dass Axolotl Sauerstoff auch über ihre Haut aufnehmen können, was sie besonders anfällig für schmutziges Wasser macht.
Von wissenschaftlichem Interesse
Es ist jedoch nicht nur die Sauerstoffaufnahme oder ihr Leben als Amphibienlarve, weshalb die Wissenschaft sich für Axolotl interessiert. Auch eine andere Fähigkeit beschäftigt die Forschung, insbesondere Genforscher. Denn Axolotl können ganze Körperteile ersetzen. Wird ein Teil ihres Körpers beschädigt oder amputiert, etwa durch Raubtiere, so können sie es ohne Narbe und voll funktionsfähig nachwachsen lassen. Das funktioniert sogar mit inneren Organen, dem Herzen oder Teilen des Gehirns.
Ähnliche Formen der Regeneration sind zwar auch von anderen Tieren bekannt, bei Axolotl funktioniert das Nachwachsen jedoch besonders gut und führt nur selten zu Verkrüppelungen. Auch wenn die körperliche Regeneration aus wissenschaftlicher Sicht besonders spannend ist, müssen sich nicht alle Axolotl mit diesem Thema beschäftigen. Die drei Axolotl im Zoo Osnabrück führen ein ruhiges Leben ohne Gefahren. Im „Tetra-Aquarium“ können sie dabei beobachtet werden, wie sie auf dem Grund ihres Beckens nach Nahrung suchen oder sich dort ausruhen. Dank eines modernen Tablets an ihrem Becken können Besucher auch im Zoo viel über die bedrohte Tierart erfahren und sie dabei ganz aus der Nähe sehen.