Eine Humorkarte als Klischeetransporter

Der letzte Teil unserer kleinen Reihe über Frauenbilder im deutschen Kaiserreich zeigt uns eine ‚Humorkarte‘ aus dem frühen 20. Jahrhundert. Was an ihr spaßig sein soll, erschließt sich – wenn überhaupt – allerdings erst bei genauerem Hinsehen.

Hier ist eine Studentin dargestellt – das allein ist für die bürgerliche Gesellschaft im Jahr 1906 bereits Anlass, sich zu amüsieren. Schließlich ist das Frauenstudium um diese Zeit im Deutschen Kaiserreich noch eine Seltenheit und hoch umstritten. Besonders die Verbindungsstudenten wehren sich mit Händen und Füßen gegen die weibliche Konkurrenz, und Bildpostkarten sind eine der Möglichkeiten, sich über das Frauenstudium lustig zu machen.

Auf dieser Fotografie fällt jedoch der Spott vergleichsweise milde aus und schließt tendenziell die Gepflogenheiten der geschätzten Herren Kommilitonen ein. Der jungen, gutaussehenden Frau mit dem feinen Lächeln hat man eine flache Studentenmütze auf das wellige Haar gedrückt und eine Zigarette zwischen die Lippen geschoben, allerdings so, dass auch das als Maskerade zu erkennen und nicht ernst gemeint ist. Als frech, übermütig und unpassend für eine gut erzogene Dame aus bürgerlichen Kreisen gilt auch ihr lockerer Alkohol-Konsum. Bei dem Getränk handelt es sich aber nicht um Bier, das die studierenden Herren im Rahmen ihrer Feiern gern und in größeren Mengen zu sich nehmen. Vielmehr prostet die Frau dem Betrachter mit einem Gläschen Sekt zu, hält die angebrochene Flasche zum Nachfüllen bereit und eine weitere auf dem Tisch dahinter in Reserve.

So posiert sie in ihrer ‚Bude‘ vor Stapeln dicker Bücher, die wohl das anstrengende, angeblich die Frauen überfordernde Studium symbolisieren sollen. Als Studentin, so erzählt uns der Fotograf, macht ‚man‘ sich nichts aus modischer Kleidung. Die Frau trägt eine brave, langärmelige weiße Bluse über einem soliden langen Rock und verzichtet auf aktuelle modische Details.

Auch die männlichen Studierenden bekommen auf diesem Bild ihren Teil an Spott ab, wie man nicht zuletzt dem auffälligen Wandbild entnehmen kann. Es zeigt das Porträt eines Hundes, dem man eine Studentenmütze über den pelzigen Kopf gezogen und den Hals mit einem hohen, steifen Kragen versehen hat – sozusagen die ‚tierische‘ Karikatur eines jener „flotten Burschen“, die Georg Mühlberg eindrucksvoll auf einem seiner zahlreichen Bilder über Sitten und Gebräuche studentischer Verbindungen auf Postkarten veröffentlichen ließ.