Ende gut, alles gut?

Kaum ein Theaterautor ist für tragische Liebesgeschichten vor dem Hintergrund emotional aufgeladener, gesellschaftlicher Konflikte so bekannt wie William Shakespeare. Auch „All’s Well That Ends Well“ – zu Deutsch „Ende gut, alles gut“ – bildet hier keine Ausnahme. Im Jahr 2022 hat sich die Royal Shakespeare Company den Stoff einmal wieder vorgenommen und ihn nicht nur auf die Bühne gebracht, sondern die Live-Aufführung überdies auf DVD gebannt. So kommen nun auch (internationale) Theaterfreunde daheim in den Genuss einer außergewöhnlichen modernen Inszenierung.

Die Protagonistin Helena wird nach dem Tod ihres Vaters der Gräfin von Rossillion anvertraut. Schon bald verliebt sie sich in deren Sohn Bertram und versucht, sein Herz zu erobern. Der freiheitsliebende Bertram allerdings hat andere Pläne als traute Zweisamkeit mit der Frau, die er kaum kennt und zu der er sich – nicht zuletzt wegen ihres niedrigeren sozialen Standes – nicht hingezogen fühlt.
Helena gibt sich trotzdem der idealisierten Vorstellung dieser vermeintlichen Liebesgeschichte hin, die jedoch schon bald auf die Realität trifft. Der König von Frankreich muss ihr Fürsprecher werden und sie mit Bertram verheiraten, der allerdings den Vollzug der Ehe boykottiert. Durch eine List gelingt es Helena schließlich, die Bedingungen für die Ehe zu erfüllen und Bertram gelobt, sie zu lieben und zu ehren.

Ohne Frage: Aus heutiger Perspektive legen beide Protagonisten ein mehr als seltsames Verhalten an den Tag. Auf der einen Seite die Frau, deren Liebe unerwidert bleibt, und die daraufhin schwere Geschütze auffährt, um ihren Erwählten in eine Beziehung zu drängen. Auf der anderen Seite der Mann, der durch Hinhaltetaktiken, Abwesenheit und Forderungen dafür sorgt, dass seine Verehrerin auf Abstand bleibt, statt die Situation zu klären. Aber gerade aus diesen Charakteren lässt sich einiges ableiten – insbesondere, was den Clash sozialer Klassen und das Konstrukt zwischenmenschlicher Beziehungen betrifft. Dabei zeigt sich, dass Shakespeares Themen in unserer vermeintlich aufgeklärteren Zeit noch immer aktuell sind, auch wenn wir für manches neue Begriffe haben und uns vermutlich sehr ergiebig über toxische Persönlichkeitsstrukturen austauschen würden.

Starke Inszenierung, hervorragendes Ensemble, mäßige Kameraführung

„All’s Well That Ends Well“ ist ein Musterbeispiel der Gattung „Dark Comedy“, denn an tragikomischen Elementen mangelt es zu keiner Zeit. Die Royal Shakespeare Company verbindet eine brillante Besetzung mit einer starken, modernen Inszenierung. Das Bühnenbild ist grundsätzlich minimalistisch gehalten. Elemente wie Computerspiele mit Kriegsszenarien treffen auf Salonszenen, Hoodies und Chucks auf elegante Anzüge und Hausmäntel. Statt historischer Uniformen tragen die Schauspieler:innen moderne Militärausstattung. So rückt die Handlung bedrückend nah an unsere Gegenwart und wird noch greifbarer als sie es in der Originalgestalt ohnehin schon wäre.

Das starke Ensemble transportiert Emotionen, sorgt für nahbare Charaktere und zieht die Zuschauer in den Bann der Inszenierung von Blanche McIntyre. Die Darsteller:innen um Claire Benedict, Benjamin Westerby, Rosie Sheehy und Jamie Wilkes ergänzen sich hervorragend in ihrem Spiel – sowohl die jüngere Besetzung als auch die erfahreneren Ensemble-Mitglieder tragen dazu bei, eine runde Handlung mit Tiefgang zu transportieren.

Die Royal Shakespeare Company hat eine atmosphärisch dichte Adaption für die Gegenwart – und nahe Zukunft? – geschaffen. Ein näherer Blick lohnt sich sicherlich nicht nur für Shakespeare-Fans und Liebhaber von Klassikern, sondern auch für alle, die Interesse daran haben, sich mit unserer gesellschaftlichen Gegenwart kritisch auseinanderzusetzen.

Einziger Wermutstropfen: Die Kameraarbeit schafft es nicht, die Inszenierung angemessen einzufangen. Durch die zügigen Überblendungen und schnellen Szenenwechsel fällt es schwer, dem Geschehen zu folgen – und trotz der minimalistischen Bühnenbilder kommt es durch den Schnitt zur visuellen Reizüberflutung. Für die Aufnahme werden immer wieder Split-Screens und Einblendungen von Smartphone-Bildschirmen genutzt.

Die Intention des Schnitts ist klar: Offenbar soll möglichst viel vom Geschehen auf der Bühne präsentiert werden. Allerdings eignet sich eine Theateraufführung für diesen Zweck wesentlich schlechter als ein Setup, das speziell für die Kamera inszeniert wurde. Wem es möglich ist, sollte sich eine Produktion der RSC unbedingt vor Ort ansehen, um großes Theater live und aus nächster Nähe wahrzunehmen.

William Shakespeare: All’s Well That Ends Well , Live-Aufzeichnung der Produktion der Royal Shakespeare Company in der Inszenierung von Blanche McIntyre, DVD, Opus Arte