Entspannt unmodern

Obwohl sie sich der Avantgarde entschieden verweigerte, spielte Ruth Gipps (1921-99) eine wichtige Rolle in der englischen Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Das BBC Philharmonic erinnert an eine Komponistin, die auf die Tradition setzte und trotzdem Neues schuf.

Henry Wood gehörte zu ihren Förderern, Ralph Vaughan-Williams zu ihren Lehrern, doch Ruth Gipps eroberte sich schnell einen eigenen Platz im englischen Musikleben. Sie feierte Erfolge als Pianistin und Oboistin, machte sich aber auch als Professorin und Leiterin des London Repertoire Orchestra einen Namen. Außerdem komponierte sie Orchesterwerke, Konzerte, aber auch Kammermusik und Lieder.

Dabei blieb sie den formalen Errungenschaften, künstlerischen Themen und Klangidealen vergangener Epochen treu. Das galt auch für eine Reihe ihrer komponierenden Landsleute, aber Ruth Gipps´ 3. Symphonie würde kein bloßer Höreindruck ins Jahr 1965 schicken. Trotzdem ist ihre Musik nicht verbissen rückwärtsgewandt. Gipps nutzt das historische Material durchaus in dem Bewusstsein, Zeitgenossin einer späteren Epoche zu sein, die aus veränderter Perspektive in den musikalischen Fluss blickt.

Ausufernde Melodien und rhythmische Turbulenzen prägen diese Musik, die den dichten, aber transparenten Orchesterklang immer wieder mit stimmungsvollen Soloeinlagen mischt. Neben der 3. Symphonie, die das BBC Philharmonic unter Rumon Gamba in einem schillernden Klanggewand darbietet, enthält die CD die Tondichtung „Death on the Pale Horse“ (1943) und die Ouvertüre zur nicht vollendeten Oper „Chanticleer“ (1944). Eine echte Entdeckung ist das Oboenkonzert (1941), in dessen Marschrhythmen der Zweite Weltkrieg einen akustischen Widerhall findet, während elegische Ruhepunkte und die tänzerischen Einlagen des Finalsatzes die Sehnsucht nach Frieden zu formulieren scheinen. Solistin Juliana Koch bringt das kaum bekannte Werk mit großer Spielfreude und Souveränität zum Klingen.

Eine sehr hörenswerte Fortsetzung der ersten CD mit Orchesterwerken von Ruth Gipps, die vor drei Jahren die 2. und 4. Symphonie (1945/1972) zusammen mit der symphonischen Dichtung „Knight in Armour“ (1940) und dem „Song for Orchestra“ (1948) vorstellte. Seinerzeit dirigierte Rumon Gamba das BBC National Orchestra of Wales. Die erste, ebenfalls bei Chandos erschienene CD ist weiterhin lieferbar.

Ruth Gipps: Symphonie Nr.3 op.57, Oboenkonzert d-moll op. 20, Chanticleer-Ouvertüre op. 28, Death on the Pale Horse op. 25