Alle Wege führen nach Rom … oder in die Albaner Berge. Auf den antiken Straßen „Via Tuscolana“ oder „Via Appia“ gelangt man von Rom in südöstlicher Richtung in die Colli Albani. Die Landschaft wird hügelig, kleine Dörfer schmiegen sich an die Hänge. Bereits in der Antike war die Gegend das bevorzugte Erholungsgebiet der wohlhabenden Römerinnen und Römer, später der römischen Adelsfamilien und der Päpste, die hier ihre Villen und Burgen besaßen. Daher der Name „Castelli Romani“.
Fast 1000 Meter hoch erhebt sich der Monte Cavo, den die Römer „mons albanus“ nannten und als Sitz ihres höchsten Gottes Jupiter verehrten. Tatsächlich ist er – wie die ganze Region – das Überbleibsel eines gigantischen Vulkans, der erst Jahrhunderte vor der Gründung Roms erloschen war. Das ehemalige Vulkangebiet, in dessen Mitte sich zwei Seen befinden, der Albaner- und der Nemisee, ist dicht mit Steineichenwäldern bewachsen. Der Blick schweift über sanfte Hügel, den Albaner See und die Weite der Campagna bis nach Rom und zum Tyrrhenischen Meer.
Aufgrund ihrer mythologischen und literarischen Bezüge sowie ihrer gesellschaftlichen Bedeutung wurde die Region seit dem 17. Jahrhundert von Landschaftskünstlerinnen und -künstlern sehr geschätzt. Auch im 18. und 19. Jahrhundert behielt die „villegiatura“ für die Albaner Berge einen hohen Stellenwert. Kunstschaffende und Reisende nutzten die Möglichkeit der gesellschaftlichen Zusammenkunft, des Rückzugs in die ländliche Abgeschiedenheit und ausgedehnter Wanderungen.
Unter „Villeggiare“ versteht man die Erholung an einem angenehmen Ort. So war es Brauch der wohlhabenden Römerinnen und Römer, den Sommer in luftiger Landschaft zu verbringen, um der Schwüle der Hauptstadt zu entkommen. Besonders beliebt waren die Albaner Berge in den Sommermonaten auch bei Malenden, da in den Bergen immer ein laues Lüftchen ging und sich im Schatten der Bäume hervorragend Studien anfertigen ließen.
Nach Rom!
Damals wie heute sind die Albaner Berge eine beliebte und häufig besuchte Region für Italienreisende, davon zeugen unzählige Briefe von Dichterinnen und Dichtern, Landschaftsgemälde und in heutiger Zeit Artikel, Fotografien und Social Media Beiträge. Nach Rom! Dieses Ziel verband Generationen von Kunstschaffenden. Italien war für sie das Land der Sehnsucht, der Antike, der vermeintliche Ort der Unbeschwertheit und Zeitlosigkeit. Das Erlebnis der Bergwelt bei der Überquerung der Alpen, die Auseinandersetzung mit der Antike und die leuchtenden Farben des südlichen Lichts und das Erleben der Landschaft wurden für viele Künstlerinnen und Künstler zu entscheidenden Erfahrungen im künstlerischen Schaffensprozess, so auch für Franz Ludwig Catel.
Nach Lehr- und Studienjahren in Berlin, Dresden und Paris reiste Catel 1811 erstmals nach Italien und gelangte über Bologna, Florenz und Siena nach Rom, wo er sich niederließ und zu einem bedeutenden Vertreter der römischen Künstlerschaft wurde. Seine stimmungsvollen Landschaften, oft mit pittoresken Genremotiven angereichert, erfreuten sich bei einer internationalen Kundschaft großer Beliebtheit. Besonders begehrt waren seine Ansichten von Rom und Umgebung. Seine stimmungsvollen Dokumentationen von Landschaften, Bauwerken und Ruinen machten ihn schon zu Lebzeiten zu einem berühmten und wohlhabenden Künstler. Nach seinem Tode wurde das Vermögen in eine Stiftung für junge deutsche und italienische Künstler umgewandelt.
Mit Gleichgesinnten fertigte Catel auf Wanderungen und Reisen Naturstudien an, die im Atelier zur Komposition der Gemälde mit den für ihn typischen Licht-, Luft- und Wassereffekten dienten. Das Gemälde zeigt hoch über dem Albaner See, der in ein zartes Morgenrot getaucht ist, einen sich erhebenden Berg mit einer Kirche. Im Hintergrund ist eine hügelige Landschaft mit Häusern zu erkennen, vermutlich handelt es sich dabei um ein Dorf. Die sich anschließende weite Landschaft liegt im Dunst und wird vom Meer abgelöst. Durch die lasierende Malweise wird die dunstige Atmosphäre und das sanfte Licht des Sommermorgens hervorragend eingefangen.
In seinen anderen Werken beschäftigt sich Catel weniger mit der Landschaftsdarstellung. Er bereichert die Landschaftsmalerei mit Staffagefiguren und setzt sie als Hauptmotiv in seinen Bildern ein. Seine Werke sind daher eher der Genre- als Landschaftsmalerei zuzuordnen. Es ist ungewöhnlich, dass Catel bei dieser Darstellung auf Staffagefiguren verzichtet hat.