Nicht erst seit der mehrfach Oscar-nominierten und für das beste Kostümdesign ausgezeichneten Verfilmung von Greta Gerwig, der eine von Vanessa Caswill inszenierte Miniserie vorausging, erfreut sich das Werk von Louisa May Alcott großer Beliebtheit bei Fans von Historiendramen. Die zweiteilige Romanvorlage, welche die Schriftstellerin 1868 und 1869 veröffentlichen ließ, zählt zu den Klassikern der US-amerikanischen Literatur.
Mit der Neuübersetzung von Monika Baark setzt der Reclam Verlag diesem literarischen Kleinod nun ein Denkmal: Die Schmuckausgabe erstrahlt dank einer Auffrischung des Textes und verträumter Illustrationen im neuen Glanz. Die Neuauflage beinhaltet Band I und II.
Vier Schwestern im Spannungsfeld ihrer Zeit
Neuengland, Mitte des 19. Jahrhunderts. Die vier Schwestern Meg, Jo, Beth und Amy March könnten kaum unterschiedlicher sein. Dennoch verbindet sie eine tiefe Freundschaft. Während sich der Vater an der Front befindet, wacht ihre Mutter über die Entwicklung ihrer Töchter. Sie ermutigt alle vier, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen.
Meg gründet entsprechend der gesellschaftlichen Konventionen schon früh eine eigene Familie. Jo strebt zunächst als Schriftstellerin Unabhängigkeit an und gründet schließlich gemeinsam mit ihrem Mann eine Schule. Beth widmet sich unter anderem aufopferungsvoll der Pflege kranker und armer Menschen, wodurch sie an Scharlach erkrankt und früh verstirbt. Amy betätigt sich unter anderem als Künstlerin und reist nach Europa – ein Traum, den ihre Schwester Jo lange hegte.
Inspiration für individuelle Lebensentwürfe
Die Handlung spielt in den 1840er und 1850er Jahren in Neuengland. Der amerikanische Bürgerkrieg, der Sezessionskrieg, dient direkt zu Beginn der Handlung als Kulisse. Auch im Verlauf der weiteren Ereignisse nehmen Elemente dieses Krieges eine wichtige Rolle ein. Dass die dramatischen Erlebnisse in jeder Hinsicht prägend für das weitere Leben sind, ist unumgänglich.
Da liegt es nahe, dass diese Textstellen stark autobiographisch gefärbt sind. Louisa May Alcott erzählt in der Coming of Age-Handlung also immer wieder auch ein Stück ihrer eigenen Geschichte, wodurch sie ihren Figuren Tiefe zu verleihen vermag. Insbesondere die zweitälteste Schwester Jo zeigt große Ähnlichkeit mit der Autorin. Gewissermaßen bietet der Text den Lesern daher nicht nur eine tiefgreifende Charakterstudie, sondern auch eine Einführung in die historischen Geschehnisse der Zeit – aus der subjektiven Wahrnehmung der Autorin heraus, versteht sich.
Die obenstehende Beschreibung zeigt es bereits: Jede der Protagonistinnen findet Erfüllung in ihrem ganz eigenen Betätigungsfeld. Obwohl die vier jungen und aufgeweckten Frauen selbstbewusst ihre Entscheidungen treffen, wird immer wieder klar, in welchem gesellschaftlichen Spannungsfeld sie sich bewegen. So müssen sie sich Konventionen unterwerfen, die sie oftmals vor Herausforderungen stellen.
Vor allem Jo zeigt eine Zerrissenheit, die im Text klar herausgearbeitet wird: Einerseits sehnt sie sich nach einem traditionellen, gefestigten Umfeld. Andererseits möchte sie mit den etablierten Rollenbildern brechen, um sich als Schriftstellerin zu verwirklichen. Im Laufe der Handlung findet sie schließlich eine Art Kompromisslösung.
Gerade diese Entwicklung ist es, die den Stoff auch heute noch so spannend macht. Denn sie spiegelt die Sehnsüchte einer jungen Frau, die Angst hat, etwas in ihrem Leben zu verpassen. Zugleich zeigt „Little Women“, dass es unabhängig von den Herausforderungen der Zeit, in der man lebt, nicht den einen richtigen Lebensentwurf gibt. Vielmehr kann – und sollte – jeder junge Mensch seinen eigenen entwickeln.
Auch optisch ein Kleinod für Buchliebhaber
Die Illustratorin Kera Till macht die Sonderausgabe von „Little Women“ buchstäblich zum Schmuckstück für jeden Liebhaber klassischer Literatur: Mit detailverliebten Zeichnungen in zarten Pastelltönen werden die Charakterzüge der Protagonistinnen filigran herausgearbeitet: feminin und dennoch selbstbestimmt vor der typischen Kulisse der Zeit, in der die Handlung angesiedelt ist. Klar ist zu erkennen, dass die jungen Damen im Rahmen der gesellschaftlichen Konventionen ihren individuellen Stil gefunden haben und diesen durch entsprechende Details zu betonen wissen.
Ohne Frage ist die neu erschienene Reclam-Ausgabe eine Empfehlung wert. Die Übersetzerin Monika Baark hat dafür gesorgt, dass sich der historische Stoff gut lesen lässt, ohne dabei zu stark in den Duktus einzugreifen. Kurz: „Little Women. Beth und ihre Schwestern“ dürfte sowohl Liebhaber klassischer Literatur abholen als auch die Leser, die sich für Coming of Age-Handlungen und Motive selbstbestimmter Frauenfiguren begeistern.
Louisa May Alcott: Little Women. Beth und ihre Schwestern, Illustriert von Kera Till, Neuübersetzung von Monika Baark, Reclam, 36 €