Es werde Nacht!

Er komponierte bereits „Nocturnes“, als Frédéric Chopin noch unter dem Klavier hindurchlaufen konnte. Doch die Nachwelt hat die Pionierleistung des 1782 in Dublin geborenen John Field nur unzureichend gewürdigt. Die Ausnahmepianistin Alice Sara Ott holt nun Versäumtes nach.

Die 18 „Nocturnes“, die Field von 1812 bis kurz vor seinem Tod im Januar 1837 zu Papier brachte, gehörten auch für Ott lange Zeit nicht zum gängigen Repertoire. Erst in den letzten Jahren begann sie sich intensiver mit dem Werk des Komponisten zu beschäftigen, der zu Lebzeiten eine veritable Berühmtheit war und in ganz Europa gefeiert wurde. Im Booklet berichtet Alice Sara Ott von ihren Erfahrungen mit Fields außergewöhnlichen und doch so eingängigen Charakterstücken.

Ich weiß noch, wie das erste anfing und die Melodie in der rechten Hand etwas so Nostalgisches und Vertrautes hatte – als ob ich sie seit meiner Kindheit kannte.

Die allermeisten Zuhörer werden eine ähnliche Erfahrung machen. Ohne dieser Musik je begegnet zu sein, haben sie doch das Gefühl, mit ihrer Anmut und Eleganz, ihrem feinen Humor und ihrer emotionalen Tiefe schon lange vertraut zu sein. Im Schutz der Nacht erwachen fröhliche Kindheitserinnerungen und melancholische Gedanken, hier wird getanzt, dort wird gesungen – an einer Wiege oder ganz ohne Worte.

Alice Sara Ott verbindet die „Nocturnes“ über knapp 80 Minuten zu einer faszinierenden, unendlich facettenreichen Erzählung. Neben ihrem untrüglichen Gespür für die jeweils passenden Tempi beeindruckt vor allem die dynamische Bandbreite, die sich bei manchem Pianissimo tatsächlich im Dunklen zu verlieren scheint.

Die deutsch-japanische Pianistin beflügelt die Phantasie diesmal aber nicht nur akustisch, sondern auch visuell. Ein innovatives Filmprojekt, das Alice Sara Ott mit dem Regisseur Andrew Staples konzipiert hat, inszeniert das 9. Nocturne in einer verschneiten Winterlandschaft, während Nr. 14 auf einem von Planeten umkreisten Klavier zelebriert wird. Der komplette, insgesamt 45-minütige Film ist ab Mitte Februar auf der Plattform ➤ STAGE+ zu sehen.

John Field: Complete Nocturnes, Deutsche Grammophon