Paul Dukas brillante Goethe-Vertonung „Der Zauberlehrling“ ist aus den Konzertsälen nicht mehr wegzudenken und auch Camille Saint-Saëns´ „Danse macabre“ oder Emmanuel Chabriers „España“ gehören zu den populärsten Orchesterstücken des 19. Jahrhunderts. Doch die Doppel-CD „Aux étoiles“ (dt.: Zu den Sternen!) geht weit über das kanonisierte Repertoire in puncto sinfonischer Dichtungen hinaus. Sie stellt 15 französische Werke aus den Jahren 1874 und 1923 vor – und holt damit auch eine Reihe bemerkenswerter Komponistinnen und Komponisten aus dem Schatten der Musikgeschichte.
Zu den genannten Dauerbrennern von Dukas, Saint-Saens und Chabrier gesellen sich selten zu hörende Stücke wie César Francks „Le Chasseur maudit“, Ernest Chaussons „Viviane“ oder Lili Boulangers „D´un matin de printemps“, aber auch absolute Raritäten wie Ernest Guirauds „Ouverture d´ Arteveld“, Charlotte Sohys „Danse mystique“ oder Victorin Joncières „La Toussaint“. Bemerkenswert sind die vielfachen Verbindungslinien, die sich trotz politischer und militärischer Konflikte über die Grenze zum östlichen Nachbarn bewegen, Gedichte von Bürger, Goethe und Lenau als Inspirationsquellen nutzen und sich mit dem Vor- oder Schreckbild Richard Wagner auseinandersetzen.
So schließt das neueste CD-Projekt des „Palazetto Bru Zane“ zahlreiche Repertoirelücken, beleuchtet die unglaubliche Faszinationskraft, die das orchestrale Geschichtenerzählen über Jahrzehnte besaß und korrigiert die noch immer viel zu gering eingeschätzte Bedeutung weiblicher Komponistinnen in der Zeit zwischen (Spät)Romantik, Fin de siècle und beginnender Avantgarde deutlich nach oben.
Dabei reiht sich ein phantastisches Hörerlebnis an das nächste. Unter der versierten Leitung von Nikolaj Szeps-Znaider trifft das Orchestre national de Lyon die eher konventionellen Tonlagen von Ernest Guiraud oder Alfred Bruneau ebenso perfekt wie Mel Bonis´ grandiose Tondichtung „Le rêve de Cléopâtre“, die zwischen den Epochen zu schweben scheint oder den titelgebenden Ausschnitt „Aux étoiles“ aus Henri Duparcs ambitioniertem, aber nie vollendeten und schließlich vernichteten Opernprojekt „La Roussalka“.
Ein Sonderlob verdient das hochinformative, schön gestaltete Booklet, das in dieser Qualität leider nur noch selten zu sehen ist. Neben einem Grundsatzartikel über die sinfonische Dichtung in Frankreich enthält das dreisprachige, 100 Seiten starke Heft Informationen zu sämtlichen Komponisten und Werken sowie zahlreiche Abbildungen.
Aux Étoiles – French Symphonic Poems, 2 CDs, Bru Zane