Auf den ersten Blick ist die 14. Sinfonie eine der dunkelsten im ohnehin selten heiteren Klangkosmos des Dmitri Schostakowitsch. Doch die elf Gesänge geben das Menschsein nicht kampflos auf – und die Kunst ohnehin nicht.
Mit dem Hinweis, er habe sich von der Orchestrierung der „Lieder und Tänze des Todes“ seines längst verstorbenen Kollegen Modest Mussorgski inspirieren lassen, gab Schostakowitsch im Uraufführungsjahr 1969 selbst die entscheidende Interpretationshilfe für ein Werk, das trotz der schmalen Besetzung eine ungeheure Klanggewalt und fast physische Bedrohung entfaltet.
Doch obwohl das ultimative Ende des menschlichen Lebens, dem keine Verklärung und Auferstehung folgt, schwere Melancholie und düstere Schatten über die 14. Sinfonie liegt, ist sie von Verzweiflung, Selbstaufgabe und einem resignativen Abschiednehmen weit entfernt. Schostakowitsch verstand Mussorgskys Zyklus als „Protest gegen den Tod“, dem er sich ausdrücklich anschließen wollte. „Der Tod erwartet jeden von uns. Ich kann nichts Gutes darin sehen, dass unser Leben so endet, und das ist es, was ich in diesem Werk vermitteln will.“
Der Protest gegen den Tod bedeutet bei Schostakowitsch aber eben auch Protest gegen Stalinismus und Diktatur, politische Verfolgung, Folter und Mord – auch wenn er seinen Widerstand durch die Vertonung lyrischer Texte von Federico García Lorca, Guillaume Apollinaire, Wilhelm Küchelbecker und Rainer Maria Rilke artikulierte und ihm keine so unmissverständliche Form gab, wie es sich der enttäuschte Alexander Solschenizyn wohl gewünscht hätte.
Obwohl die Sinfonie nur mit Sopran- und Bassstimme, Streichern und Rhythmusinstrumenten besetzt ist, nimmt sie immer wieder oratorienhafte Ausmaße und einen Gestus an, der im Angesicht des Übermächtigen und Unausweichlichen zornig, stark und selbstbewusst bleibt, auf das Leben vertraut und Hoffnung aus der menschlichen Kreativität schöpft. „Der Tod ist groß“, heißt es im allerletzten Gesang mit Rilkes „Schlussstück“, doch das Leben und die Kunst haben das letzte Wort und den letzten Ton.
Der international gefeierten Sopranistin Asmik Grigorian und dem großartigen Bassbariton Matthias Goerne gelingt eine musikalisch herausragende Darbietung, die sich durch atmosphärische Dichte und technische Brillanz auszeichnet. Das Orchestre philharmonique de Radio France besticht unter der Leitung von Mikko Franck durch rhythmische Präzision und einen nie nachlassenden Spannungsreichtum, versteht sich aber auch darauf, an der Grenze zum Pianissimo zarte Strukturen zu zeichnen. Davon profitiert nicht nur die 14. Sinfonie, sondern auch die Neueinspielung der „Fünf Fragmente“ op.42 – insbesondere das feinziselierte Largo, das die Mitte dieses 1935 komponierten Juwels bildet.
Dmitri Schostakowitsch: Sinfonie Nr.14, Fünf Fragmente op. 42, Alpha