Gesänge zwischen Leben und Tod

Die halbherzig vorbereitete Uraufführung im Oktober 1900 geriet zu einem mittelschweren Fiasko. Doch Edward Elgars „The Dream of Gerontius“ avancierte schon kurze Zeit später zu einem der populärsten Werke der englischen Musikgeschichte. Paul McCreesh stellt Edward Elgars gewaltiges Opus in einer Neueinspielung vor, die einen Blick in die Entstehungszeit gewährt.

Elgar entschied sich gegen ein klassisches Requiem, aber für eine dezidiert katholische Perspektive. Er vertonte ein Gedicht des anglikanischen Diakons John Henry Newman, der 1845 konvertierte und 1879 zum Kardinal ernannt wurde – naturgemäß ohne zu ahnen, dass er 2019 auch noch heiliggesprochen werden sollte. „The Dream of Gerontius“ erzählt vom Tod eines alten Mannes, dessen Seele durch das Jenseits streift und – an Engeln und Dämonen vorbei – zur ewigen Seligkeit gelangt.

Der eigenwillige visionäre Text inspirierte den Komponisten zu einer seiner einfalls- und farbenreichsten Partituren. „The Dream of Gerontius“ nahm Anregungen vom anglikanischen Kirchengesang bis zum Musikdrama Richard Wagners auf und verschmolz sie zu einem originellen Meisterwerk, das die Zuhörer bis heute durch seine brillante Orchestrierung, eindringliche Sologesänge und Duette sowie die phänomenalen, oft mehrfach geteilten Chorsätze beeindruckt.

Paul McCreesh begab sich für dieses Ausnahmeprojekt auf die Suche nach dem originalen Instrumentarium, welches Elgar um 1900 in Birmingham zur Verfügung stand. Das Ergebnis, das die Darbietung von Gabrieli Consort & Players zu einem wundervoll warmen und gleichzeitig energiegeladenem Klangbild verdichtet, ist im ausführlich gestalteten Booklet nachzulesen.

Außerdem versammelte McCreesh um den Polish National Youth Choir und das Nachwuchsprogramm „Gabrieli Roar“ weit über 100 Chorsänger und mit Anna Stéphany, Nicky Spence und Andrew Foster-Williams drei Solisten, die dem Chor- und Orchesterapparat stimmlich Paroli bieten und die Spannung über gut anderthalb Stunden mühelos halten können.

Eine phantastische Neuinterpretation, die Hörgewohnheiten durchbricht und in ungeahnte Dimensionen vorstößt. 

Edward Elgar: The Dream of Gerontius op.38, 2 CDs, Signum