Heiterkeit vor dem Sturm

1846 wurde Albert Lortzings komische Oper „Der Waffenschmied“ im Theater an der Wien uraufgeführt. Zum 175. Jahrestag stand das Werk einmal mehr auf dem Spielplan, ein Mitschnitt der konzertanten Aufführung liegt nun auf CD vor.

„Gern gäb ich Glanz und Reichtum hin für dich, für deine Liebe“, schwören der Graf, die Bürgerstochter und das ganze Ensemble fällt fahnenschwenkend ein – wohl wissend, dass diese Worte nie unter Beweis gestellt werden müssen. Der soziale Seitenwechsel des aristokratischen Ritters ist mit der Hochzeit beendet, und die Braut, die schon im ersten Akt vom Leben in der Oberschicht geträumt hat, darf sich künftig mit eben dem Glanz und Reichtum umgeben, den sie im Finale leichten Herzens dahingibt. Der Waffenschmied erholt sich derweil durch die Erinnerung an die „köstliche Zeit“ seiner Jugend von der Wut auf adelige Verführer im Besonderen und seinem cholerischen Temperament im Allgemeinen.

Zweifel an dem, was vermeintlich immer schon so war, Sorgen in der Gegenwart und Angst vor einer ungewissen Zukunft: In Lortzings „Waffenschmied“ haben sich Stimmungen und Konfliktstoffe einer vorrevolutionären Zeit versammelt – vom Machtkampf der Stände und Schichten um die politische und wirtschaftliche Vorherrschaft bis hin zum Aufbegehren der Frauen gegen die Entscheidungshoheit der Väter und Ehemänner. Alte Sicherheiten geraten in Wanken, Vertrauen wird immer wieder enttäuscht und nichts ist mehr ganz so, wie es scheint.

Doch 1846, als diese Oper im Theater an der Wien uraufgeführt wird, eskaliert die Situation noch nicht. Der Waffenschmied, der auch als Tierarzt praktiziert, fängt die auseinanderdriftende Gesellschaft noch einmal mit den von Lortzing souverän beherrschten Mitteln der komischen Oper ein. Hier gibt es keinen Wutausbruch, der nicht durch Ausgleich besänftigt, keine Gewaltandrohung, die nicht im letzten Moment zurückgenommen werden, keinen Streit, der nicht im Ensemblegesang beigelegt werden könnte. Eine versöhnliche Heiterkeit liegt über der Szene, doch kaum zwei Jahre später zeigt sich auf den Straßen Wiens und vieler anderer Städte, dass diese Kompromisse der Realität nicht mehr standhalten. Der Komponist wird sich dann mit den protestierenden Republikanern solidarisieren und in seiner Oper „Regina“ tatsächlich schießen lassen.

Der Mitschnitt einer konzertanten Aufführung zum 175. Jahrestag der Uraufführung im Theater an der Wien überzeugt durch das hochklassige Ensemble, aus dem der stimmgewaltige Günther Groissböck und Miriam Kutrowatz, die Marie eine widerspenstige, kluge und selbstbewusste Stimme leiht, herausragen. Am Pult des ORF Radio-Symphonieorchester Wien zeigt Leo Hussain, wie fruchtbar langjährige Mozart-Erfahrungen für schlanke, pointierte, energiegeladene Lortzing-Interpretationen sein können.

Schade nur, dass die Doppel-CD lediglich eine musikalische Gesamtaufnahme bietet. Trotz des Verweises auf ein „complete libretto“ fehlen in Booklet und Aufführung die gesprochenen Dialoge. Ihre dramaturgisch wichtige Funktion, die zum Verständnis des Werkes und seiner Handlungsverläufe nicht unmaßgeblich beiträgt, geht so verloren.

Albert Lortzing: Der Waffenschmied, 2 CDs, Capriccio