Rechterhand erliegen Adam und Eva den Einflüsterungen der Schlange, gegenüber wartet das Maul eines riesigen Ungeheuers, um den sündigen Teil der Menschheit direkt in die Hölle zu befördern. Umrahmt wird das Ganze von 12 Aposteln, Weihekreuzen, Ranken und Familienwappen. Im Chorraum der St. Marienkirche in Behrenhoff, wenige Kilometer südlich von Greifswald, entwarfen unbekannte Künstler vor rund 800 Jahren ein außergewöhnliches Szenarium.
Das nördliche Seitenschiff und die Sakristei mussten bereits nach dem Dreißigjährigen Krieg abgerissen werden. 1831 folgte der marode Glockenturm – und das auf dem umliegenden Friedhof gebaute „Mausoleum“ des Grafen von Behr ist dem Einsturz näher als der Renovierung. Die St. Marienkirche in Behrenhoff hat im Laufe der Jahrhunderte dem Zahn der Zeit Tribut gezollt, aber auch ein lange vergessenes Wahrzeichen hinzugewonnen: Mehrere um 1300 entstandene Wandmalereien wurden 1897 unter später aufgetragenen Farbschichten entdeckt und restauriert.
Auf der Nordwand spielen sich seitdem wieder apokalyptische Szenen ab: Vor einem mit Reißzähnen bewehrten Höllenrachen werden die Sünder, unter ihnen auch ein König und Vertreter des geistlichen Standes, erbarmungslos gefoltert, ehe der mit Szepter und Blitzen bewaffnete Teufel sie in die endgültige Verdammnis schickt. Sollte in diesem Chorraum ein strafender Gott regieren, der den Sündenfall der ersten Menschen weder vergessen noch verzeihen konnte?
Hans-Joachim Jeromin, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde St. Nicolai, interpretiert die Ikonografie der „größten Hölle Vorpommerns“ sehr viel optimistischer. „In dieser Kirche sollte allen gesellschaftlichen Ständen per Bild gepredigt sein: ´Tue Gutes und dir steht der Himmel genauso offen, wie den Aposteln, Heiligen, Märtyrerinnen und Märtyrern. Und wenn du Böses tust – sag nicht, du hättest nicht gewusst, wohin das führt und was dir blüht.´ Für letzteres sorgt die Nordwand mit dem drastischen Höllenschlund. Wer den sieht und da nicht hin will, der hat eigentlich keine Alternative zum Gutes-Tun“, so Jeromin.
Wie die Bildsprache auf die Kirchgänger des späten Mittelalters wirkte, lässt sich heute kaum mehr erahnen. Doch die Bauherren aus dem Rittergeschlecht von Behr machten sich um die Effekte im Innenraum der Kirche möglicherweise wenig Gedanken. Die reiche Ausstattung des Gotteshauses und der opulente Bau waren vor allem eine Machtdemonstration, die von konkurrierenden Adelshäusern in der Region wahrgenommen werden sollte.
Jahrhunderte später geht es in erster Linie darum, ein einzigartiges kulturgeschichtliches Zeugnis für die Nachwelt zu erhalten. Das ist keine leichte Aufgabe, wie Hans-Joachim Jeromin im Gespräch mit „Kulturabdruck“ betont, auch wenn es Hilfe von fachkundiger Seite gibt, etwa von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.
Erste Renovierungsschritte konnten so bereits realisiert werden, doch es sind noch umfangreiche Arbeiten auf der Nordseite nötig, wo immer wieder Regen die Wände hinabläuft und Feuchtigkeit und Schimmelbefall nach sich zieht. Auch an der Orgel und einigen schwer beschädigten Figuren aus der Barockzeit hat der Zahn der Zeit genagt. Perspektivisch wären überdies weitere Wandgemälde zu restaurieren und das Westportal soll eines Tages wieder geöffnet werden.
Besucher und Hilfe willkommen
Wer einen Blick in dieses besondere Kulturdenkmal werfen möchte, ist in Behrenhoff herzlich willkommen. Interessenten können sich bei der Evangelischen Kirchengemeinde St. Nicolai in Gützkow unter der Telefonnummer 038353 / 251 oder der eMail-Adresse guetzkow@pek.de anmelden.
Für die umfangreichen Renovierungsmaßnahmen ist die Gemeinde weiter auf Unterstützung angewiesen. Spenden können auf das Konto der Evangelischen Kirchengemeinde Gützkow bei der Evangelischen Bank eingezahlt werden: IBAN: DE 70 5206 0410 2405 4228 84, BIC: GENODEF1EK1 Verwendungszweck: Kirche Behrenhoff.