Hommage an Fanny und Felix

Zeit ihres Lebens komponierte Fanny Hensel, geborene Mendelssohn, im Schatten des ungleich berühmteren Bruders Felix, für den der verdienstlose Umstand, als Mann geboren worden zu sein, erhebliche berufliche Vorteile hatte. Die Bedeutung ihres Werkes ist bis heute nicht vollständig deutlich geworden, die Zahl der Verehrer und prominenten Anwälte aber ständig gewachsen. Die Sopranistin Chen Reiss nähert sich den Geschwistern nun von einer ganz neuen Seite.

Im Januar 1832 vertonte Fanny Hensel die von ihrem Ehemann Wilhelm eingerichtete Schiller-Ballade „Hero und Leander“. Die fesselnde Szene für Sopran und Orchester, die Naturstimmungen, aufgewühlte Emotionen und dramatische Wendungen facettenreich einfängt, fand keine Fortsetzung, aber sie war auch kein Einzelfall. Chen Reiss war nach der Beschäftigung mit dem achtminütigen Werk jedenfalls davon überzeugt, dass die Kunstlieder für Singstimme und Klavier noch eine weitere Dimension besitzen. Der gesangliche und emotionale Ausdruck, das melodische Material und die vielschichtigen Klavierpartien „schrien“ geradezu nach Orchestrierung, meinte die israelische Sängerin.

Diese Einschätzung muss man nicht zwingend teilen und kann sich doch an den Arrangements von Tal-Haim Samnon erfreuen. Seine orchestralen Gewänder sind luftig, verspielt, begeistert, immer stilsicher und durchaus geeignet, diese Kleinodien in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Ludwig Höltys traurig-schöne Mainacht, Emanuel Geibels schaukelndes Gondellied, Goethes Dämmrung, die alle Nähe fern macht oder die blassen Rosen von Heinrich Heine entfalten in dieser Version eine besondere Atmosphäre.

Das ist freilich auch der Solistin zu verdanken, die sich der nicht alltäglichen Aufgabe mit großer Leidenschaft und einer überzeugenden Dramaturgie widmet. Chen Reiss galt mitunter als stimmgewaltige, technisch perfekte Operndiva ohne besonderes Faible für lyrische und komische Rollen. Hier gelingt es ihr, auch die leisen Momente einfühlsam und detailreich zu gestalten, um dann wieder als anmutige oder schalkhafte Erzählerin aufzutreten.

Die Einspielung, die zwischen Felix´ Konzertarie „Infelice!“ und Fannys „Hero und Leander“ acht Lieder der Schwester und ihre Kantate „Lobgesang“ sowie die „Hebriden“-Ouvertüre des Bruders in der Urfassung vorstellt, überzeugt außerdem durch die einfühlsame Begleitung des Jewish Chamber Orchestra Munich unter Daniel Grossmann. Die Solovioline in der Konzertarie „Infelice!“ spielt Arabella Steinbacher.

Fanny Hensel & Felix Mendelssohn Bartholdy: Arien, Lieder, Ouvertüren, Onyx