Hotel ohne Ausweg

Mit „L´italiana in londra“ holte die Oper Frankfurt im September 2021 ein vergessenes Meisterwerk des auch nicht mehr allzu bekannten Domenico Cimarosa auf die Bühne zurück. Der Mitschnitt für heimische Bildschirme unterstreicht noch einmal, dass dem renommierten Haus ein echter Glücksgriff mit guten Repertoirechancen gelungen ist.

Die 1778 uraufgeführte Oper erzählt die Geschichte der Italienerin Livia, die sich einst in den englischen Milord Arespingh verliebt hatte. Dessen Vater durchkreuzte die Pläne des jungen Paares und schickte den widerborstigen Zögling nach Jamaica. Livia strandete daraufhin in einem Londoner Hotel und befreundete sich mit der eigenwilligen Besitzerin Madame Brillante.
Zu Beginn des Stückes kehrt der Fernreisende nach London zurück, doch seine Angebetete hat mittlerweile zwei neue Verehrer: den geschäftstüchtigen, aber unbeholfenen Kaufmann Sumers aus den Niederlanden und den Neapolitaner Don Polidoro. Der glaubt an die große Liebe, an gutes Essen, an zauberkräftige Steine – und wird seinerseits von Madame Brillantine umschwärmt.

Aus dieser verqueren Ausgangssituation entwickelt R.B. Schlather eine bunte, quirlige, mit viel Slapstick garnierte Komödie am Rande des absurden Theaters. Am Ende wird ein doppeltes happy end zelebriert, aber möglicherweise fängt das „Intermezzo in musica“ auch immer wieder von vorne an. Denn der in schwarz-weißer und weiß-schwarzer Geometrie rotierende Bühnenraum von Paul Steinberg scheint den Kontakt zur Außenwelt verloren zu haben – das Telefon, das nach 2 ½ Stunden endlich einmal klingelt, wird folgerichtig auch nicht abgenommen. Ist das Leben nur eine ewige Zwischenstation, in der Vorgeschichten keine wesentliche Rolle spielen und Konsequenzen gar nicht vorgesehen sind?

Die Frankfurter Inszenierung lebt von einem spielfreudigen und stimmlich überzeugenden Quintett. Die leidenschaftliche, spitzbübische, mitunter auch zwielichtige Livia von Angela Vallone verdient ein Sonderlob, aber auch Bianca Tognocchi (Madame Brillantine), Theo Lebow (Sumers), Iurii Samoilov (Arespingh) und Gordon Bintner (Polidoro) spielen das komödiantische Potenzial ihrer Rollen voll aus.

Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester unter Leo Hussain bringt die Schönheiten der Partitur vollends zum Glänzen. Wie wörtlich die These des Dirigenten zu nehmen ist, „dass wir Cimarosa überall viermal pro Saison spielen würden, wenn es Mozart nicht gegeben hätte“, sei einmal dahingestellt. Im Nachlass des Italieners gibt es in jedem Fall noch viel mehr zu entdecken als sein einziges halbwegs bekanntes Werk „Il matrimonio segreto“.

Domenico Cimarosa: L´italiana in londra, Naxos, DVD & Blu-ray