Wir stellen ein weiteres Exponat der Ausstellung ➤ „Schumann-Ansichten“ vor, die im Archiv Historische Bildpostkarten online besichtigt werden kann. Erneut geht es um ein Lied aus Robert Schumanns Zyklus „Dichterliebe“.
Zu sehen ist ein seltsames Denkmal, ein fantastisches Gebilde, dessen Umrisse andeutungsweise hinter Wolken stilisierter, herbstlicher Blätter und bräunlicher Zweige zu erkennen sind. Deutlicher sieht man jedoch das bleiche Gesicht einer Frau, die mit geschlossenen Augen aus dem Gewirr emporzuwachsen scheint. Ein schön geformter blattloser Ast setzt ihrem Bewegungsimpuls nach oben hin Grenzen. Was ist das für ein verwunschenes Wesen, das da zum Licht drängt?
Das vollständige Gedicht Heines* erleichtert die Deutung des Bildes. Das blasse Nachtwesen ist ein Traumbild, das der Fantasie eines Mannes Ausdruck verleiht, einem Musiker, der mit einer Mandoline in der Hand im Vordergrund erschienen ist. Er fixiert den Betrachter. Darin liegt die Aufforderung, genauer hinzuschauen, um zu verstehen, was er seinem Publikum zu erzählen hat.
Er kann das Rätsel lösen, er weiß, welche Bewandnis es mit dieser Frauengestalt hat, die da hinter ihm auf ihrem Marmorsockel ausharrt, weiß, zart und wie erstorben. Sie wartet ihrerseits darauf, dass er ihr Geheimnis lüfte und sie zum Leben erwecke, indem er erzählt, was sie ihm bedeutet.
Wer das schöne, atemlose Lied Schumanns an sich vorüberziehen lässt, kann das in Erfahrung bringen.
* Ich will meine Seele tauchen
In den Kelch der Lilie hinein;
Die Lilie soll klingend hauchen
Ein Lied von der Liebsten mein.Das Lied soll schauern und beben,
Wie der Kuß von ihrem Mund’,
Den sie mir einst gegeben
In wunderbar süßer Stund’.Textnachweis Heinrich Heine: Buch der Lieder, Hamburg 1827 S. 115 / Link zu dieser Karte im Archiv Historische Bildpostkarten