Illustriertes Wissen und gefällige Unterhaltung

Acht Seiten Text, durchsetzt von vier bis sechs Illustrationen. Das Ganze gibt es wöchentlich zum Abonnementpreis von jährlich zwei Talern – in einer gedruckten Auflage von bis zu 60.000 Exemplaren. Das ab dem 4. Mai 1833 erscheinende „Pfennig-Magazin“ entwickelt sich rasch zu einem kommerziellen Erfolg und gilt als eine der ersten deutschen Illustrierten.

Der Erfolg kommt nicht von ungefähr. Publizistischer Vorläufer ist das ab 1832 in London erscheinende „Penny Magazine“ mit einer zeitweisen Auflage von 200.000 Exemplaren. Die wöchentlich präsentierte Mischung aus Themen der Naturwissenschaften, Geographie, Geschichte, Kunst und Technik findet reißenden Absatz und zahlreiche Nachahmer. Im Januar 1833 erscheint in Paris die erste Ausgabe des ähnlich gestalteten „Magasin pittoresque“ und wenig später veröffentlicht der Verlag Bossange Père in Leipzig die erste Ausgabe des deutschsprachigen „Pfennig-Magazins.“ Mit dem neuartigen Konzept der unterhaltsamen Wissensvermittlung rennen die Verleger offene Türen ein. Die gedruckte Auflage des „Pfennig-Magazins“ wächst rasch von etwa 35.000 Exemplaren der Startausgabe auf bis zu 60.000. Ihren Anspruch an das neue Magazin formulieren die Blattmacher in der Erstausgabe folgendermaßen:

Die Verbreitung nützlicher Kenntnisse ist das schönste Geschenk, das man seinem Jahrhundert machen kann. Wir wollen nach unseren besten Kräften, mit prüfender Besonnenheit, mit redlichem Willen dafür das Unsere thun. Unermeßlich ist das Reich des Wissens; es umfaßt die ganze Welt; Vergangenheit und Gegenwart, Himmel und Erde, Land und Meer. Unser Streben soll dahin gehen, aus allen diesen Regionen, aus allen diesen Zweigen das Nützlichste und Neueste auszulesen, und es auf eine möglichst gefällige Weise, welche Verstand und Phantasie zugleich angenehm beschäftigt, dem freundlichen Leser vorzuführen. Die wichtigsten Entdeckungen und Erfindungen, merkwürdige Naturerscheinungen, große Begebenheiten, interessante Ereignisse, Lebensbeschreibungen berühmter Männer (!), treffende Lebensregeln, wichtige Erfahrungen sollen wechselweise unsere Aufmerksamkeit beschäftigen und dem Leser wie in einer freundlichen, würdigen Unterhaltung vorgetragen werden. Zu besserem Verständnisse werden wir überall, wo es nöthig ist, erklärende, sauber gearbeitete Abbildungen hinzufügen und uns überhaupt bemühen, auf die äußere Gestalt unserer Zeitschrift eben so viel Sorgfalt wie auf den Inhalt derselben zu verwenden.

Thematisch beschäftigt sich die Erstausgabe mit der Moschee des Sultans Achmed zu Konstantinopel, artesischen und Feuerbrunnen, der Taucherglocke, dem Laternenträger (= Insekt), dem Mahagonibaum und dem Leben und Wirken des Naturforschers Baron de Cuvier. Diese Vielfalt wird zum Markenzeichen des Magazins. So beschäftigen sich die Redakteure in den Folgeausgaben beispielsweise mit der Gewinnung von Leuchtgas aus Maikäfern, Mumien, den Wasserleitungen der Römer, den Affen von Gibraltar, der Mineralquelle in Selters sowie der Sternwarte in Dehli.

Auf großes Interesse bei der Leserschaft, die sich wohl im Wesentlichen aus der Mittelschicht rekrutiert, stoßen insbesondere auch die Illustrationen, die erstmals einen Blick auf Landkarten, Abbildungen historischer Bauwerke, technische Apparate und unbekannte Pflanzen ermöglichen. Anders als beim britischen Vorbild, soll das „Pfennig-Magazin“, zumindest in seinen Anfängen, neben der kognitiven auch der moralischen Bildung seiner Leserschaft dienen, betont Prof. Dr. Christiane Schwab vom Institut für Empirische Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie in München. Eingestreut finden sich beispielsweise Beiträge wie „Pflichten des Familienvaters, besonders in bewegten Zeiten“, „Wozu Pünktlichkeit und Ordnung verhelfen“ und „Geizig und freigiebig“. Ein besonderes Merkmal des Magazins sei auch die Verknüpfung der Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse mit dem Wissensformat der Enzyklopädie, schreibt Schwab.

Die einzelnen Ausgaben der Zeitschrift werden Jahr für Jahr in einem Sammelband herausgegeben, dem ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis vorangestellt ist. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Einzelausgaben nach Ablauf eines Kalenderjahres selbst binden zu lassen. Diese gebundenen Sammlungen ermöglichen es Leserinnen und Lesern nun, sich mithilfe der bereitgestellten Inhaltsverzeichnisse gezielt zu spezifischen Themenbereichen zu informieren. Die einzelnen Hefte des Pfennig-Magazins behandeln also den gegenwärtigen Wissensstand in Serie, welcher dann in Form der gebundenen Zeitschriften geordnet und überblicksartig-umfassend präsentiert wird.
Christiane Schwab, S.11

Bereits 1834 steigt der Chefredakteur Johann Jakob Weber aus dem „Pfennig-Magazin“ aus – er wird später Verleger und Herausgeber der „Illustrirten Zeitung“. Die Nachfolge übernimmt Friedrich Arnold Brockhaus, der den wachsenden verlagsinternen Pool an Texten, Illustrationen und Fotos nutzt, um diese in seinen zahlreichen Publikationen mehrfach zu veröffentlichen. 1843 sieht sich der Herausgeber zu einem Relaunch des „Pfennig-Magazins“ gezwungen. Das Bedürfnis der Leserschaft nach Unterhaltung wird verstärkt in den Fokus genommen. Diesen Aspekt hatte man zwar von Beginn an im Blick gehabt, trotzdem scheint zehn Jahre später der Bedarf nach Kurzweil in der althergebrachten Form der belehrenden Unterhaltung nicht mehr ausreichend gedeckt zu sein, vermutet Schwab. Am deutlichsten zeige sich die Neuorientierung des Magazins in der Umwandlung seines Titels in „Pfennig-Magazin für Belehrung und Unterhaltung“ ab Januar 1843. Zunehmend werden nun auch Reisebeschreibungen und Prosaliteratur in das Magazin aufgenommen – sowie die neue Rubrik „Miscellen“, in der der Leserschaft internationale Sensationsnachrichten präsentiert werden.

Bis zu seiner letzten Ausgabe 1855 vermeiden die Herausgeber offene politische Kommentare, Kritik an Religion und Kirche und tagesaktuelle Nachrichten. „Diese Vernachlässigung politischer Nachrichten und kritischer Gesellschaftsanalysen zugunsten von Belehrung, schöngeistiger wie auch pikanter Unterhaltung und Information ist für sämtliche der in Europa erscheinenden illustrierten Wissensmagazine auszumachen,“ stellt Schwab klar. Einer der Gründe dürfte in den zum Teil strengen Zensurbestimmungen liegen.

In den seltensten Fällen erfährt die Leserschaft, aus welchen Informationsquellen die Autoren ihre „enzyklopädisch-distanzierten Angaben“ (Schwab) speisen. Als alleiniger Garant der Authentizität des präsentierten Wissens muss das Medium des Wissensmagazins selbst genügen. 1855 stellt der Herausgeber das Erscheinen des „Pfennig-Magazins“ ein. Es wird vom 1853 aus der Taufe gehobenen Konkurrenzblatt „Die Gartenlaube“ abgelöst. Damit endet nach 22 Jahren die immer noch nicht umfassend erforschte Geschichte der ersten deutschsprachigen Illustrierten, deren publizistische Nachfolger bis heute um ihre Leserschaft buhlen.