Ludwig II. hätte es geliebt: Monatelang Ruhe und Stille, wo sich ansonsten Jahr für Jahr knapp 1,5 Millionen Besucher drängeln. Auch Wladimir Kaminer nutzte die Corona-Pause sinnvoll – für einen sehr speziellen Blick hinter die Kulissen des Märchenschlosses Neuschwanstein.
Seit 30 Jahren lebt er in Deutschland, in Neuschwanstein war er noch nie: Umso begeisterter erzählt Wladimir Kaminer die Geschichte des gigantischen Bauvorhabens, das mit Ausnahmeprojekten unserer Zeit bereits einiges gemeinsam hatte. Schließlich betrugen die zunächst mit 3,2 Millionen Mark bezifferten Kosten am Ende fast das Doppelte – nach heutiger Kaufkraft rund 100 Millionen Euro. Von den 200 geplanten Räumen wurden trotzdem nur 14 fertiggestellt.
Kaminer ist freilich nicht der Bundesrechnungshof und hat seinen Spaß mit dem „Sagen-Fan“ und „Technik-Freak“ Ludwig II., der sich von Richard Wagners Opernwelten inspirieren ließ, ohne auf ein Telefon oder die Toilette mit Wasserspülung verzichten zu wollen.
Der Schriftsteller wirft außerdem einen Blick auf die (bis 2023 andauernde) Restaurierung Neuschwansteins sowie die touristische bzw. wirtschaftliche Bedeutung. Er besucht den passionierten Ludwig-Sammler Sepp Schleicher und einen Souvenirverkäufer, der selbst zuletzt im Jahr 1980 im Schloss war. Natürlich ist auch Ludwigs mysteriöser Tod Gegenstand verschiedener Spekulationen, neue Beweise findet freilich auch der Bestseller-Autor nicht.
Alles in allem ein informativer und unterhaltsamer Rundgang – auch für Besucherinnen und Besucher, die in diesem Sommer die Touristenströme meiden wollen.
Kaminer Inside: Schloss Neuschwanstein, Erstausstrahlung am 28. August 2021 um 20.15 Uhr auf 3sat.