Der Stiefbruder von Clara Schumann war ein weithin geschätzter Musikpädagoge und stand mit vielen bedeutenden Tonschöpfern des 19. Jahrhunderts in engem Kontakt. Dass Woldemar Bargiel (1828-97) auch selbst komponierte, fiel nur Wenigen auf.
Als die Staatsbibliothek zu Berlin vor 15 Jahren den umfangreichen Nachlass Woldemar Bargiels erwarb, begründete sie ihre Entscheidung vor allem mit neuen Erkenntnissen, die zum Künstlerkreis um das Ehepaar Clara und Robert Schumann, ihren Freund und Kollegen Johannes Brahms oder den Geiger Joseph Joachim zu erwarten seien.
Tatsächlich stand Bargiel stets im Schatten der Genannten. Zwar hatte ihn kein Geringerer als Robert Schumann 1853 zu den „hochaufstrebenden Künstlern“ gezählt, bei der Gelegenheit aber auch gleich darauf hingewiesen, dass „deren Productionen“ bedauerlicherweise nur „einem engeren Kreise“ bekannt seien.
Im Duell der traditionsbewussten „Brahminen“, die sich mit den fortschrittsorientierten „Neudeutschen“ um Liszt und Wagner eine erbitterte musikästhetische Debatte lieferten, war Bargiels Stimme nicht laut genug. Darüber hinaus scheute er die großen Formate und schrieb vor allem Klavier- und Kammermusik. Schließlich und endlich stammten seine musikalischen Ideale aus der Zeit Beethovens und Mendelssohn-Bartholdys.
Ohne diese Vorbilder wären Bargiels Klaviertrios in F-Dur und Es-Dur kaum denkbar, ihrer musikalischen Qualität tut das aber keinen Abbruch. Beide Werke sind außerordentlich phantasievoll gestaltet, warten mit eingängigen Melodien und spannungsreichen Rhythmen auf und stellen für die Interpreten nicht nur eine dankbare Aufgabe, sondern auch eine veritable Herausforderung dar.
Das Leonore Piano Trio interpretiert beide Werke mit spürbarer Begeisterung, sorgt aber auch dafür, dass die elegischen Momente – etwa die suggestiven, zunächst vom Cello vorgetragenen Melodien der Andante-Sätze – ausreichend Raum zur Entfaltung bekommen. Benjamin Nabarro (Violine), Gemma Rosefield (Cello) und Tim Horton (Klavier) lassen so ein Stück Berliner Musikkultur wieder lebendig werden und sorgen gleichzeitig für ein eminentes Hörvergnügen.
Woldemar Bargiel: Klaviertrios Nr.1 & 2, Hyperion