Klarinette ohne Limits

Nach Ansicht ihres Interpreten Julian Bliss gehören die Klarinettenkonzerte von Magnus Lindberg und Kalevi Aho „zu den großartigsten des 21. Jahrhunderts“. Wer sein neues Album hört, wird dem britischen Ausnahmemusiker nicht widersprechen.

Finnland kann sich seit Jahrzehnten über eine seltene Dichte herausragender Komponisten freuen. Dass zwei von ihnen innerhalb kurzer Zeit Meisterwerke für dasselbe Instrument schreiben, die beide rund 30 Minuten dauern und in fünf beziehungsweise sechs Sätzen pausenlos ineinander übergehen, ist aber auch im Land der 1000 Seen ungewöhnlich. Kalevi Aho breitet in seinem 2006 von dem schwedischen Klarinettisten Martin Fröst uraufgeführten Werk eine Vielzahl schwebender Klangflächen aus, die sich zu mysteriösen Multiphonics verdichten oder in farbenprächtigen Ausbrüchen explodieren – so etwa im Herzstück des Konzertes, dem mitreißenden, rhythmisch hochkomplexen „Vivace con brio“.

Magnus Lindberg gibt sich in dem 2001/02 für seinen Landsmann Kari Kriikku komponierten Konzert von seiner zugänglichsten Seite. Im Dissonanten humoristisch und fast ein wenig melodieverliebt frönt der Finne aber auch hier seiner Passion für extreme Gegensätze. Dabei entsteht wohl eines der spannungsreichsten Klarinettenkonzerte überhaupt – vom langen lyrischen Bogen über experimentelle Tonkreationen bis hin zu halsbrecherischen Läufen stellt Lindberg den Solisten und das vielfach ausdifferenzierte Orchester vor maximale technische und interpretatorische Herausforderungen.

Julian Bliss und das großartige BBC Scottish Symphonie Orchestra unter Taavi Oramo nehmen das alles freilich nur als Ansporn für eine seltene musikalische Sternstunde voll zeitgenössischer Töne, die immer neue Experimente, Entdeckungen und Emotionen vor den Hörenden ausbreitet. Die im Booklet zitierte Feststellung von Martin Fröst, die Klarinette habe keine Limits und gebe dem Spielenden die völlige Freiheit „neue Klänge und Klangtechniken zu entwickeln“, wird hier direkt und auf eindrucksvolle Weise umgesetzt.

Markus Lindberg & Kalevi Aho: Klarinettenkonzerte, Signum Classics