Kleine Besetzung statt großer Oper

Louise Farrenc nahm nicht nur im französischen Musikleben des 19. Jahrhunderts eine Sonderstellung ein. Sie war die erste Frau, die in Europa über Jahrzehnte eine hauptamtliche Professur innehatte und so eine eigene Klavierschule etablieren konnte. Als Komponistin nahm sich Farrenc außerdem die Freiheit, nicht auf das erfolgversprechendste Genre zu setzen. In der Opernmetropole Paris schrieb sie Symphonien und Kammermusik, die hier in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – wenn überhaupt – nur aus der Feder Beethovens goutiert wurden.

Dass Louise Farrenc sich trotzdem durchsetzen konnte, lag an der handwerklichen Perfektion, die auch die gefeierte Pianistin auszeichnete, vor allem aber an jenem kaum Beschreibbaren, das schon Zeitgenossen in dem Begriff „schöpferisches Genie“ einzufangen versuchten. Unterhaltsame Bravourstücke mit technischen Ansprüchen waren ihr durchaus nicht fremd, wie die vor 1833 entstandenen „Variations concertantes sur une mélodie suisse“ für Violoncello und Klavier zeigen, doch ihre späteren Werke zeugen von einem ganz eigenen klassisch-romantischen Stilempfinden, sprudelndem Einfallsreichtum und einem Sinn für Spontaneität und überraschende Wendungen.

Das d-moll-Trio für Klavier, Violine und Violoncello (1844) liefert dafür ein Paradebeispiel, gönnt es doch den drei Instrumentalisten kaum eine Atempause. Der opulente Eingangssatz geht in rasch dahineilende Variationen über, ehe das knapp halbstündige Werk von einem furiosen Rondo gekrönt wird. Reifer, abgeklärter, aber nicht weniger einfalls- und temporeich wirkt das Trio in e-moll, das rund ein Jahrzehnt später entstand und anstelle des Geigen- einen brillant in Szene gesetzten Flötenpart aufbietet.

Das Farrenc-erfahrene Linos Ensemble präsentiert die drei genannten Werke und die gediegene, überaus stimmungsvolle Violinsonate in c-moll (1848) mit technischer Perfektion, viel Liebe zum Detail und einem Gespür für das ganz besondere Flair dieser Musik. Konstanze Eickhorst (Klavier), Winfried Rademacher (Violine), Mario Blaumer (Violoncello) und Kersten McCall (Föte) gelingt so ein weiteres überzeugendes Plädoyer für eine große Komponistin, die in den letzten 30 Jahren wieder in das öffentliche Bewusstsein zurückkehrt ist. Auch – und vor allem – dank hervorragender Aufnahmen wie dieser hier.

Louise Farrenc: Klaviertrio Nr.2 d-moll op.34, Variations concertantes sur une melodie suisse op. 20, Trio Nr. 4 e-moll op. 45, Violinsonate Nr. 1 c-moll op. 37, cpo