Der Blütenteppich ist einer von vier noch existierenden Textilien aus dem großen Werk August Endells. Er entwarf neben Architektur auch Inneneinrichtungen, Mobiliar und Wohnaccessoires für private und öffentliche Räume und verfasste diverse Schriften zur Stellung des Kunstgewerbes und über die Bedeutung der Textilien in der Künstlerausbildung. Ab 1918 leitete er die Kunstakademie in Breslau.
Der „Dortmunder“ Teppich zeigt eine streng symmetrische Aufteilung mit rosafarbenen Rosetten auf braun-schwarzem Grund, hellgrünen Quadraten, cremefarbenen Punkten und einem hellblauen Vierblatt. Der Teppich weist in seiner stilisierten floralen Art typische Jugendstilelemente auf und vermittelt fast den Eindruck eines Wandteppichs. Ein zeitgenössisches Foto zeigt ihn gespiegelt in einem Schlafzimmerschrank in Endells Berliner Privatwohnung. Doch wie gelangte der Teppich in das Dortmunder Museum?
Er wurde dem Museum 1976 aus dem Nachlass von Elisabeth Brendgen aus Köln übergeben. Wie er in ihren Besitz kam, ist ungeklärt. E. Brendgen war Goldschmiedemeisterin und Assistentin für die Klasse für Formlehre an der Breslauer Kunstakademie. Sie hatte in den späten 1960er Jahren, also noch lange nach ihrer Arbeit in Breslau, Verbindung zu Endells Witwe Anna Endell, geb. Meyn, die inzwischen in Cappenberg bei Lünen lebte. Sie hatte als Bildhauerin ein Atelier in einem Raum im dortigen Schloss, in dem auch das Dortmunder Museum kriegsbedingt bis 1982 untergebracht war. Schon 1967 schenkte sie Textilien ihrer Schwester Emma Meyn, einer bekannten Färbemeisterin, dem Museum. Der Weg des Teppichs führte also von Berlin über Breslau, Köln und Cappenberg nach Dortmund.
Die beiden anderen noch erhaltenen Teppiche aus Endells Werk befinden sich im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg. Sie stammen aus dem Nachlass von Anna Endell. Der größere von beiden zeigt klare, sachliche Formen. Er hat die Maße 198 x 166 cm. Auf taubenblauem Grund befinden sich schwarze s-förmige Rauten und himbeerrote Flammenformen, die sich mit naturweißen Tupfen abwechseln. Die Schnittpunkte der Rauten verzieren kleine, resedagrüne Flammen mit naturweißem Kern. Er ist vor 1920 entstanden und handelt sich vermutlich um die Umsetzung eines Entwurfes für die Wohnungseinrichtung des Unternehmers und Kunstsammlers Dr. Max Silberberg.
Der dritte Teppich ist 102 x 108 cm groß. Auf rötlich-braunem Grund umschließt ein violettes Gitternetz hell-blaugrüne Felder. Das Zentrum bildet, begrenzt von einer hellgrünen Kontur, eine rote Blüte aus drei vollständig sichtbaren Blättern und drei versetzten Blattstücken. Neben einer dunkelroten Binnenzeichnung springt vor allem eine blaue Rispe auf jedem Blatt ins Auge. Datiert wird er auf die Zeit um 1910–1912. Der Teppich weist genau einen Rapport (kleinste abgeschlossene Einheit eines Textilmusters) eines großen Salonteppichs von ca. 1914 aus der Berliner Wohnung des Künstlerpaares Margarete und Oskar Moll auf, wie Fotos der Wohnungseinrichtung zeigen.
Vielleicht diente auch dieser kleine Teppich als Mustervorlage für den Auftrag des Ehepaars Moll. Er hat eine hohe Leuchtkraft und Farbintensität, die ihn in der Raumwirkung zu einem zentralen Gestaltungselement macht. Margarete Moll beschreibt die Wohnungseinrichtung in ihren Erinnerungen an August Endell: „Die Möbel waren aus Zitronen- und Zedernholz, Mahagoni und Palisander.“ Die Intarsien für die Möbel entwickelte Endell aus der Grundform des Blattes und auch beim Teppich ist die stilisierte Blütenform das herausragende Ornament. Der große Teppich aus dem Hause Moll gilt als verschollen bzw. zerstört.
Ein kleiner Mustercoupon für Polsterstoffe mit stilisierten Blattformen nach Endells Entwurf hat sich in der Sammlung des Kaiser Wilhelm Museums in Krefeld erhalten. Auf hellbraunem Grund reihen sich blaue Blattformen mit schwarzer Kontur aneinander. Das Muster weicht stark von der Phantastik in Endells sonstigem textilen Werk ab und mutet fast biedermeierlich an, ist jedoch geometrischer und strenger. Produziert wurde die Probe bei der Firma G. Kottmann in Krefeld. Das Stoffmuster wurde in die Produktion aufgenommen und fand um 1910 Verwendung als Möbelbezug für die Sitzgruppe in der Wohnung von Dr. Fritz Moll.
Inv.-Nummern der Exponate im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (1967.228-229) und im Kaiser Wilhelm Museums in Krefeld (ZV 371/1982)
Literaturhinweise Margarete Moll: Erinnerungen an August Endell. 1958. Archiv der Akademie der Künste Berlin, Abteilung Baukunst – Klaus Reichel: Vom Jugendstil zur Sachlichkeit. August Endell. Dissertation. Bochum 1974 – Helge David (Hg.): August Endell. Vom Sehen. Texte 1896-1925 über Architektur, Formkunst und „Die Schönheit der großen Stadt“, Basel, Berlin, Boston 1995 – Elke Torspecken: Die Textilentwürfe August Endells (1871–1941): Ihre Bedeutung im Kontext seines künstlerischen Gesamtwerkes. In: Gabriele Mentges und Heide Nixdorff (Hg.): Textildesign. Voysey – Endell – Berger (= Textil – Körper – Mode. Dortmunder Reihe zu kulturanthropologischen Studien des Textilen, Bd. 3), Bamberg 2002, S. 121–213 – Nicola Bröcker, Gisela Moeller, Christine Salge (Hg.): August Endell 1871-1915. Architekt und Formkünstler, Petersberg 2012