Die junge dänische Violinistin Anna Agafia Egholm steht noch am Anfang ihrer internationalen Laufbahn, hat aber bereits viel beachtete Konzerte gegeben und eine Reihe renommierter Preise gewonnen. Auf ihrer ersten CD stellt sie zwei Werke vor, die nur selten zu hören sind.
Noch bevor sie den Bogen hebt, hat Anna Agafia bereits Pluspunkte gesammelt: Ihre Debüt-CD präsentiert weder Bach noch Beethoven und auch nicht Mozart, Mendelssohn-Bartholdy oder Tschaikowsky. Die junge Geigerin stellt das für den widerborstigen Komponisten aufregend-untypische Violinkonzert von Carl Nielsen aus dem Jahr 1911 neben den zweiten und letzten Genrebeitrag von Karol Szymanowski, den er 1932/33 für seinen Freund Paul Kochanski schrieb.
Diese Programmauswahl liegt abseits des Erwartbaren und vereint doch grandiose Musik mit der Chance, die ganze Bandbreite solistischen Könnens unter Beweis zu stellen. Denn Nielsens schwelgerisches, mit chevaleresken Themen und tänzerischen Elementen durchsetztes Konzert ist gänzlich anders konzipiert als das düstere, melancholische und doch ungeheuer explosive Werk seines polnischen Kollegen. Und mit 40 Minuten fast doppelt so lang.
Sogar die Rolle des Dialogpartners unterscheidet sich fundamental. Während Nielsen der herausfordernden, facettenreichen Solopartie eine völlig unspektakuläre orchestrale Begleitung zuweist, macht Szymanowski den Klangkörper zum zweiten Protagonisten. Gemeinsamkeiten sind dadurch freilich nicht ausgeschlossen. Für beide Komponisten war die Volksmusik ihrer Heimat „ein bedeutsames Düngemittel“ (Szymanowski), sie spielt – weniger in direkten Zitaten, denn als immer wieder durchscheinende musikalische Grunderfahrung – auch in den Konzerten eine wichtige Rolle.
Anna Agafia gibt den vielfältigen Bezügen Raum zur Entfaltung, hält Töne bis an die Grenze des Verklingens, weiß Themen aber auch mit Verve und galoppierendem Tempo auf die Spitze zu treiben. Nur an vereinzelten Leerstellen des Nielsen-Konzertes fällt die Spannung mitunter ab – auch bei der Sinfonia Varsovia unter Aleksandar Markovic, die sich auf eine immer solide und klangschöne, aber nicht unbedingt energiegeladene Begleitung beschränkt.
Trotz solch kleinerer Einschränkungen ist die Neugier auf weitere Einspielungen und Live-Auftritte geweckt. Zumal zu erwarten steht, dass Anna Agafia sich auch in Zukunft nicht unbedingt an Repertoirevorgaben und Hörerwartungen halten wird.
Carl Nielsen: Violinkonzert op.33 / Karol Szymanowski: Violinkonzert op.61, Claves