„Kraft durch Freude“

Braune Relikte 20: Anstecknadel und Sparkarte.

„Kraft durch Freude“ zielte auf die Entspannung und Regeneration der Arbeitskraft und damit auf die Erhöhung der Arbeitsproduktivität und sollte die Ausbildung der „NS-Volksgemeinschaft“ fördern. Die Gesellschaft organisierte Freizeit in einer Weise, die den heutigen Massentourismus vorwegnahm.

Die nationalsozialistische Gemeinschaft KdF war eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront (DAF) und die wohl populärste und massenwirksamste des NS-Regimes. Sie bot ein breit angelegtes kulturelles und touristisches Freizeitprogramm, das Theateraufführungen und Konzerte, Kunstausstellungen und Vorträge, aber auch Tages-, Wochenend- und Ferienreisen in Deutschland und in verschiedene europäische Länder einschloss. Besonders begehrt waren die Kreuzfahrten mit der KdF-eigenen Flotte, die seit Mai 1934 Madeira, Italien und Norwegen ansteuerten und propagandistisch besonders herausgestellt wurden. Von dem Freizeitangebot, das den modernen Massentourismus vorbereitete, profitierten trotz niedriger Preise anstelle der Arbeiterschaft, an die sich die Organisation eigentlich richtete, in erster Linie Angestellte.

Wir schickten unsere Arbeiter nicht auf eigenen Schiffen auf Urlaub oder bauten ihnen gewaltige Seebäder, weil uns das Spaß machte oder zumindest dem einzelnen, der von diesen Einrichtungen Gebrauch machen kann. Wir taten das nur, um die Arbeitskraft zurückkehren zu lassen. KdF überholt gewissermaßen jede Arbeitskraft von Zeit zu Zeit, genauso wie man den Motor eines Kraftwagens nach einer gewissen gelaufenen Kilometerzahl überholen muß. Betriebssport, Schönheit der Arbeit, Werkkonzerte sind alles keine Dinge an sich, sondern sie dienen immer wieder dem großen Gesamtziel, die Leistungen des deutschen Volkes auf allen Gebieten zu steigern.
DAF-Leiter Robert Ley im Jahr 1940

Die KdF-Veranstaltungen zielten auf den Abbau „bürgerlicher“ Privilegien ab und wollten die Herausbildung einer „Volksgemeinschaft“ fördern. Wichtig war dabei auch die Motorisierung der Bevölkerung. Um diese voranzutreiben, unterstützte Hitler die von Ferdinand Porsche angeregte Konstruktion eines „Volkswagens“. Im Mai 1937 wurde die „Gesellschaft zur Vorbereitung des deutschen Volkswagens“ (GEZUVOR) gegründet. 1938 errichtete die jetzt „Volkswagenwerk GmbH“ genannte Gesellschaft gemeinsam mit der DAF bei Braunschweig ein eigenes Werk, aus dem die heutige Stadt Wolfsburg hervorging. Im September 1938 wurde der „KdF-Wagen“ erstmals präsentiert.

Jeder künftige Autobesitzer schloss einen Kaufsparvertrag über die Lieferung eines KdF-Wagens für 1.000 RM ab und verpflichtete sich zu wöchentlichen Zahlungen von 5 RM. Diese wurden mit Marken in Sparkarten festgehalten. Durch den regelmäßigen Erwerb der Sparmarken wurden auch Reisen möglich. Unser Sparer Obenhain gehörte zu den 60.000 der 336.000 Besteller, die ihren Volkswagen zwar bereits vollständig bezahlt hatten, deren Traum vom eigenen Auto sich aber nicht erfüllte, da das neue Werk mit Beginn des Zweiten Weltkriegs auf die Produktion von Kübelwagen umgestellt wurde. Nach Kriegsende wurden mit Unterstützung der britischen Militärregierung in Wolfsburg schließlich doch noch „Volkswagen“ produziert: der VW-Käfer. Viele Sparer drängten dabei auf die Auslieferung „ihres“ angesparten Autos. Nach langem Rechtsstreit entschied das BGH Anfang der 1960er Jahre allerdings, dass nur noch ein Rabatt von einigen hundert DM für den Kauf eines VW’s gewährt werden musste.

 

Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.