In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert wurden in vielen europäischen Ländern Krematorien eröffnet wurden. Warum es in Österreich bis 1922 dauerte und die Feuerbestattung trotzdem noch auf erbitterten Widerstand kirchlicher Kreise stieß, erzählt der folgende Beitrag unseres Redaktionspartners „wesearch“.
Nachdem Kaiser Karl der Große im Jahr 785 die Feuerbestattung als „heidnischen Brauch“ bei Androhung der Todesstrafe verboten hatte, verschwand diese in vorchristlichen Kulturen vielfach anzutreffende Art der Bestattung in Europa. Lange war die Erdbestattung die einzig mögliche Art.
Bewegung in die Sache kam erst im 19. Jahrhundert mit den Bestrebungen neueste Hygiene-Erkenntnisse umzusetzen. Zunächst waren es bürgerlich-liberale Vereine, Intellektuelle und Künstler die sich für die Feuerbestattung einsetzten. Bald schon traten die Sozialdemokraten und der Arbeiterverein „Die Flamme“ nicht zuletzt aus einem antiklerikalen Impuls für die Legalisierung der Leichenverbrennung ein. „Von der Wiege bis zur Bahre“ lautete schließlich die Maxime der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei.
Während im deutschen Gotha bereits 1878 und in Zürich und Paris 1889 Krematorien eröffneten, sollte es in Österreich noch bis 1922 dauern. Am 17. Dezember 1922 schließlich eröffnete der Wiener Bürgermeister Jakob Reumann mit der Feuerhalle in Wien Simmering Österreichs erstes Krematorium. Die christlichsoziale Regierung tobte. Per Weisung hatte Sozialminister Richard Schmitz noch am Tag zuvor versucht, die Eröffnung des von Clemens Holzmeister geplanten Krematoriums zu unterbinden.
Die erste Einäscherung erfolgte im Jänner 1923. Aufgrund des Widerstandes der Christlichsozialen und der gegen Reumann eingebrachten Klage konnte der regelmäßige Betrieb aber erst 1924 aufgenommen werden.
Die katholische Kirche gab ihre Bedenken gegenüber der Feuerbestattung erst in den 1960er Jahren auf; seit 1966 ist sie der Erdbestattung gleichgestellt. 2018 entfiel ein Drittel aller Bestattungen in Wien auf Feuerbestattungen.