#lyrik: Am See

Das Schwimmen in ungesicherten Gewässern kann ebenso lebensgefährlich sein wie ein ausgedehntes Sonnenbad. In Versform ist beides zum Glück absolut harmlos.

Dieser zwölfzeilige, kindgerecht gereimte Klassiker entführt uns in eine Welt ohne Baggerseen, UV-Strahlen und Lichtschutzfaktoren. Pure Lebensfreude springt hier aus den Strophen und Klamotten, um einen Tag zu genießen, der garantiert nicht wiederkommt …

Adolf Holst: Am See

Heute ist das Wasser warm,
Heute kann’s nicht schaden.
Schnell hinunter an den See!
Heute geh’n wir baden.

1, 2, 3, die Hosen aus,
Schuhe, Rock und Wäsche,
und dann, plumps ins Wasser rein,
gerade wie die Frösche.

Und der schönste Sonnenschein
brennt uns nach dem Bade
Brust und Buckel knusperbraun,
braun wie Schokolade.

 

Zum Autor

Adolf Holst – 1867 im thüringischen Branderoda geboren, 1945 im niedersächsischen Bückeburg gestorben – war einer der erfolgreichsten Kinderbuchautoren in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Gedichte „Am See“, „Eislauf“ oder die Geschichte von „Hans Wundersam“ (1920) finden bis heute junge und alte Leser, doch deren Anzahl hat dramatisch nachgelassen.
Der ehemalige Prinzenerzieher im Fürstenhaus Schaumburg-Lippe publizierte allerdings nicht nur Liebenswertes für den Nachwuchs, sondern auch Bilderbücher, in denen er während des Ersten Weltkriegs das (deutsche) Soldatenleben glorifizierte sowie Texte, mit denen er in der Zeit des Dritten Reiches zumindest keinen Anstoß erregte. Die lange vermisste Forschung zu diesen und anderen Aspekten erhielt 2021 durch den von Stefan Brüdermann und Sebastian Schmideler herausgegebenen Band „Bilderbücher – Reimgeschichten. Leben, Werk und Wirkung des Bückeburger Kinderlyrikers Adolf Holst“ neue Impulse (Wallstein Verlag).