#lyrik: Beschwer über den Bart und Lob des Bartes

An Bärten scheiden sich die Geister. Was liegt dann näher, als einer Beschwerde über „der Liebe Wespennest“ das Lob einer Haarpracht gegenüberzustellen, die man irgendwie auch als „der Weisheit Nest“ betrachten kann.

Dieser barocke Lyriker, Übersetzer, Landwirt und Politiker war ein Mann des Sowohl-als-auch. Schon in seinen frühen Liebesgedichten, die unter dem Titel „Anemons und Adonis Blumen“ herausgegeben wurden, schrieb Hans Aßmann von Abschatz über blaue Augen, über schwarze Augen und außerdem noch über ihre und seine Augen.

Multiperspektivisch und interkulturell kommen auch Abschatz´ Bartgedichte daher, die ihre Argumente unter anderem aus persönlicher Anschauung, taktilem Empfinden, der Geschichte des Mittelalters und der antiken Philosophie ableiten. Insofern ist es wohl gerechtfertigt, an dieser Stelle beide Gedichte vorzustellen.

Hans Aßmann von Abschatz

Beschwer über den Bart

Was ist bei schönem Mund ein stark gewachs´ner Bart?
Der Liebe Wespen-Nest, ein Dornstrauch um die Rosen,
Ein Stoppel süßer Frucht, ein scharfer Distel-Zaun,
Ein Schranken/ welchen wir den Hafen sperren schaun,
Ein spitzer Schieferfels in stiller Venus-Fahrt?
Wer preist die Käste1, so die Stachelschale deckt?
Die Perle, welche noch in rauher Muschel steckt?
Mit was für Anmuth ist dem Barte liebzukosen.

Lob des Bartes

Spotte wer da will den Bart!
Knaben bleiben unvollkommen,
Bis der Bart hat zugenommen.
Kahle Jugend muß sich schämen,
Glattes Mauls ein Weib zu nehmen,
Bis sich Bart und Witz gepaart.

Wenn der Bart den Mund schattirt,
Und die linden Haare stechen,
Muß der Mädchen Herze brechen.
Kommt Kupido aufgezogen,
Pfeile, Schlingen, Sehn‘ und Bogen
Sind von Bärten, die er führt.

Bärte sind der Helden Pracht.
Wer nicht viel um’s Maul kann leiden,
Lässt sich nicht leicht Ehr‘ abschneiden.
Simsons Stärke wohnt in Haaren,
Weil kein Stahl sein Haupt befahren,
Der ihn blind und schwach gemacht.

Herzog Heinrichs Bart und Muth
Macht‘ ihn weit berühmt in Polen.2
Soll man weiter Zeugniß holen?
Friedrich Rothbarts Heldensiege
Kennt der Welsche zur Genüge,
Zeugt der Sarazenen Blut.

Den gefürcht’en Janitschar
Zieret der beraste Knebel.
Wenn bei dem geschärften Säbel
Die gekrümmten Haar‘ aufsteigen,
Sich als Igelstacheln zeigen,
Steht fein Gegner in Gefahr.

Haare sind der Weisheit Nest:
Sokraten und viel Gesellen
Will ich dir zu Zeugen stellen,
Daß im klugen Griechenlande
Langer Bart beim Weisenstande
Sei der beste Schmuck gewest.

Sieht man nicht ganz Morgenland
Nur die Haut der blöden Frauen
Glatt bemäulter Wacht vertrauen?
Bärte, Land und Haar regieren,
Weil, die keine Bärte führen,
Nicht verdienen bessern Stand?

Nichts zeugt die Natur umsonst.
Bärte können manche Flecken,
Manches Mahl und Runzel decken.
Fehlten Bärte den Barbieren,
Würden sie viel Brodt verlieren:
Lieber tragt den Bärten Gunst!

1 Kastanie
2 Heinrich mit dem Barte, Herzog von Breslau und Liegnitz

 

Der Autor

Hans Aßmann (eigentlich Johann Erasmus) Freiherr von Abschatz wurde 1646 in Breslau geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Straßburg und Leiden, reiste anschließend durch die Niederlande, Frankreich und Italien, ehe er sich der Bewirtschaftung seiner Güter widmete. Als Landesbestellter des Erbfürstentums Liegnitz und Abgeordneter der Liegnitzer Stände bei den Schlesischen Fürstentagen setzte er sich erfolgreich für die Belange seiner Heimat ein.
Abschatz´ Gedichte kursierten nur in einem kleinen Kreis und wurden erst 1704, fünf Jahre nach seinem Tod, in einer gesammelten Ausgabe veröffentlicht. Seine Übersetzung des Schäferspiels „Il pastor fido“ von Giovanni Battista Guarini erschien Angfang der 1670er Jahre unter dem Titel „Der teutsch-redende treue Schäffer des berühmten Welschen Guarini“.