#lyrik: Der Beglückte

Als die Angebetete ihn endlich zu erhören scheint, kennt seine Begeisterung keine Grenzen mehr. Doch der „Stolzesten der Schönen“ war ein stiller Verehrer offenbar lieber. In jedem Fall ist sie extrem geräuschempfindlich.

Auch im 18. Jahrhundert ist es Neulingen gestattet, den Literaturmarkt mit einiger Unbeholfenheit zu betreten. Aber vielleicht wird von diesem Autor mit voller Absicht etwas hölzern und unsauber gereimt. Isaschar Falkensohn Behr kennt sich mit literarischen Traditionen und Modeerscheinungen jedenfalls bestens aus. Überdies hat er negative Kritiken und Vorurteile, die allein aufgrund des Titels die Runde machen würden, schon ironisch vorweggenommen. „Was hilfts dem schlechten Büchlein, dass sein Verfasser ein pohlnischer Jude ist?“, heißt es in dem einleitenden „Schreiben an einen Freund“.

Und das ist nicht die einzige bemerkenswerte Frage, die im Vorwort zu den Gedichten gestellt wird: „Erregen nicht die Worte: pohlnischer Jude, in der Seele das Bild eines Mannes, schwartzvermummt, das Gesicht verwachsen, die Blicke finster, und rauh die Stimme?“

Isaschar Falkensohn Behr: Der Beglückte

Ha! Die Stolzeste der Schönen,
Sah ich nach fruchtlosen Sehnen
Endlich voller Gütigkeit;
Sie, die meine Zärtlichkeit,
Meine Seufzer sonst verhöhnte,
Die kein Lächeln, keinen Blick,
Keinen Kuss mir sonst vergönnte;
Die gestand mir selbst mein Glück.

Als ich voller Liebessorgen
Tief in Dunkelheit verborgen
Jüngst nach einem schönen Tag
An die Spröde denkend lag,
Rief ich: grausame Belinde!
Seufzend und voll Bitterkeit:
Und sieh! wie ein Traum geschwinde
Stand sie da, zum Kuss bereit.

Ja, ich habe dich betrübet,
Sprach sie, zärtlich doch geliebet;
Ohn‘ erst deine Treu zu sehn,
Wollt ich dirs nur nicht gestehn.
Lauschend hinter diesen Zweigen
Hört ich, was dir itzt entfiel;
Nur ein Seufzer konnte zeigen
Dein zu zärtliches Gefühl.

Doch, kaum hatt‘ ichs recht vernommen,
Als ich schon, von Lieb‘ entglommen,
Selig, selig bin ich! schrie:
Dieser Schall verscheuchte sie.
Und, o Jammer! mit Belinden
Sah ich, als ich aufgewacht,
Freud ‚ und Seligkeit verschwinden.
Wie nach einer Hochzeitnacht.

Der Autor

Isaschar Falkensohn Behr (1746-1817) war Kaufmann, Arzt, Gelegenheitsdichter und wohl der erste jüdische Lyriker, der seine Verse in deutscher Sprache verfasste. Sehr zum Ärger des jungen Johann Wolfgang Goethe, der sich von dem 1772 ohne Angabe des Autors erschienenen Band „Gedichte von einem pohlnischen Juden“ viel versprochen hatte, um dann schwer enttäuscht zu werden. „Was ist da viel zu sagen! durchgehends die Göttern und Menschen verhaßte Mittelmäßigkeit“, lamentierte der spätere Dichterfürst in den „Frankfurter Gelehrten Anzeigen“.
Behr, der in Berlin zum Kreis des Aufklärers Moses Mendelssohn gehörte, konvertierte später zum russisch-orthodoxen Glauben, absolvierte medizinische Examen nebst Promotion und praktizierte unter dem Namen Gabriel Grigorjewitsch in Russland.