#lyrik: Glück

Immer die kleinen Freuden aufpicken, bis das große Glück kommt, denn falls das ausbleibt, hat man wenigstens „die kleinen Glücke“ gehabt, empfiehlt der junge Leo in dem Roman „Die Poggenpuhls“. Wenn Wunsch und Hoffen schweigen, kann das kleine aber auch unversehens zum großen Glück werden.

Ein Sonntag, absolute Ruhe und Windstille reichen Theodor Fontane, um in 12 kurzen Zeilen einen paradiesischen Zustand auf Papier zu bannen. Das Glück zeigt sich hier in der Abwesenheit aller Bedürfnisse. Zu guter Letzt spaziert Gott im Kreuzreim in die Herzen der Menschen. Ein Hauch von Ironie weht durch die Ergriffenheit. Typisch Fontane.

Theodor Fontane: Glück

Sonntagsruhe, Dorfesstille,
Kind und Knecht und Magd sind aus,
Unterm Herde nur die Grille
Musiciret durch das Haus.

Thür und Fenster blieben offen,
Denn es schweigen Luft und Wind,
In uns schweigen Wunsch und Hoffen,
Weil wir ganz im Glücke sind.

Felder rings, – ein Gottessegen
Hügel auf- und niederwärts,
Und auf stillen Gnadenwegen
Stieg auch uns er in das Herz.

Der Autor

Theodor Fontane war einer der bedeutendsten, produktivsten und einflussreichsten Autoren des Realismus. 1819 in Neuruppin geboren, absolvierte er zunächst eine Apothekerausbildung und arbeitete anschließend als Schriftsteller und Journalist. Die großen Romane – „Irrungen, Wirrungen“ (1888), „Frau Jenny Treibel“ (1893), „Effi Briest“ (1896) oder „Der Stechlin“ (posthum 1899) – entstanden vor allem in den letzten zehn Jahren seines Lebens. Theodor Fontane starb 1898 in Berlin.