Ein Sonnenstrahl reicht manchmal, um uns vorzugaukeln, die dunkle Jahreszeit wäre eine andere. Paul Boldt zieht es sofort ins Freie – auf der Suche nach Material für ein leuchtendes Sonett.
Mitten im Februar schickt uns dieses Gedicht einen Hauch von Frühling. Nur im Konjunktiv versteht sich, denn noch tragen die Frauen in ihren Straußenfedern (wenn sie denn überhaupt mit solchen spazieren gehen) das Licht nicht wie eine Fahne.
Es scheint eben nur so. Aber das Gefühl, man könne in der Leipziger Straße, zu Beginn des 20. Jahrhunderts Berlins berühmteste Einkaufs- und Flaniermeile, mit vollen Händen Geld ausgeben, ist ja wohl auch nur eine Illusion. Zumal dem, der da durch die Zeilen springt, die Wollust dazwischenkommt. Kein Einzelfall in Boldts Gedichten. Die Dirnen, so lesen wir erstaunt, sind mit dem Frühling bereits durch und „sommern brünstiger als Haie“.
Mein Februarherz
Als trügen Frauen in den Straußenfedern
Das junge Licht wie eine weiße Fahne,
Gehörten alle Häuser reichen Rhedern
Und wären Schiffe, schwimmt um die AltaneDie blaue Luft! Oh, jetzt in einem Kahne
Auf Wassern fahren, süßen Morgennebeln
Entgegensteuern, gleich dem leisen Schwane
Die Wellen teilend mit den schwarzen Hebeln!Geh in die Leipzigerstraße! Geh ins Freie!
Schön ist die Wollust! Gott ein guter Junge.
Die Dirnen sommern brünstiger als Haie!Ich habe Geld! Ich bin so schön im Schwunge.
Sonette aus Sonne kitzeln mir die Zunge!
In meiner Kehle sammeln sich die Schreie!
Der Autor
Sein Gedichtband „Junge Pferde! Junge Pferde!“ stürmte 1914 durch die expressionistische Literaturszene. Nur vier Jahre später erschien der letzte Text von Paul Boldt, 1921 starb er an einer Embolie. Der Sohn eines westpreußischen Gutsbesitzers hatte in München, Marburg und Berlin Philologie studiert und ab 1912 Gedichte in der Zeitschrift „Die Aktion“ veröffentlicht. Boldt beendete aber weder sein Studium, noch suchte er engeren Kontakt zu den expressionistischen Künstlerkreisen. Es gibt keine Fotos und abgesehen von wenigen Postkarten auch keine handschriftlichen Überlieferungen. In den letzten Jahren hat das Interesse an Boldts Werken wieder zugenommen, auch dank des digitalen ➤ Paul Boldt-Archivs, das von dem Musikwissenschaftler Marc Pendzich herausgegeben wird.