Wir kennen den Ort, wir kennen die Tageszeit, doch rein äußerlich geschieht überhaupt nichts. Dafür bekommen wir eine Ahnung von der Bewegung im Inneren der Dinge.
Es scheint, als ob die Natur in der drückenden Mittagshitze für eine Stunde den Atem anhalten würde. Doch dem ist offenkundig nicht so, denn das Leben geht weiter seinen Gang. Während das Korn – unsichtbar, aber auch unbeirrbar – der Ernte „zureift“, rauscht das Feld im Zentrum absoluter Regungslosigkeit.
Martin Greif: Mittag im Felde
Gebüsch und Tann‘ umziehen
Den Ackergrund voll Ruh‘,
Das Korn ist hoch gediehen
Und reift der Ernte zu.Es hält die Mittagsstunde
In ihrem Bann die Welt,
Nichts regt sich in der Runde,
Nur manchmal rauscht das Feld.
Der Autor
Seine Anhänger verglichen ihn mit Mörike und Uhland, Kritiker wie Hermann Bahr störten sich an „verbrauchten Worten“ und „leeren Sätzen“. Argumente lieferte er beiden Seiten, denn der Lyriker, der in wenigen Zeilen filigrane Stimmungsbilder entwarf, schrieb auch scheppernde vaterländische Erbauungsstücke wie „Prinz Eugen“ oder „Agnes Bernauer“.
Martin Greif, der eigentlich Friedrich Hermann Frey hieß, wurde 1839 in Speyer geboren. 1867 quittierte er den Dienst in der bayerischen Armee, um fortan zu reisen und als freier Schriftsteller zu leben. Mit Erfolg, denn seine Stücke wurden unter anderem am Wiener Burgtheater und am Nationaltheater in München aufgeführt. Greif starb 1911 in Kufstein.
Textnachweis Martin Greif: Gesammelte Werke. Erster Band. Gedichte, 6. Auflage, Leipzig 1895, S.71