#lyrik: Nur Eines nicht!

Wer nicht an die leibhaftige Auferstehung glaubt, stört sich wenig daran, was für ein Leben nach dem Tod seine Atome führen. Aber so völlig gleichgültig ist es vielleicht doch nicht.

Umfassende Reime für die letzten Dinge: Der Blick über den eigenen Tod hinaus offenbart nur noch chemische Vorgänge. So weit sind auch Marx und Nietzsche, als Betty Paoli diese Zeilen zu Papier bringt.

Der menschenfeindliche Wunsch, der sich in der Schlussstrophe offenbart, ist allerdings ungewöhnlich, erklärt sich aber möglicherweise vor dem Hintergrund der resignativen, oft depressiven Schübe, welche Paoli immer wieder heimsuchten.

Betty Paoli: Nur Eines nicht!

Wenn ich dereinst entrückt dem Lebenstande,
Wenn die in mir, dem flüchtigen Phantome,
Für kurze Zeit vereinigten Atome
Einst wieder frei und ledig ihrer Bande:

Was dann aus ihnen wird? Mich soll’s nicht kümmern,
Ob sie der Thiernatur sich einverleiben,
Als Wirbel Staubes durch die Lüfte treiben,
Im Farbenglanze duft’ger Blumen schimmern!

An einem Wunsche lass‘ ich mir’s genügen:
Was auch ihr Schicksal sei, ob hoch, ob nieder,
Sie mögen sich nur nimmer, nimmer wieder
Zu einem Menschenbild zusammenfügen!

Die Autorin

Das Bedürfnis, auf eigenen Füßen zu stehen, und der Verlust des elterlichen Vermögens machten aus Barbara Elisabeth Glück (1814-94), die ihre Texte zunächst unter dem Namen Betty (Betti) Glück und dann als Betty Paoli veröffentlichte, eine erwerbstätige Bürgerin.
Als Erzieherin, Gesellschaftsdame, Journalistin, Übersetzerin und Schriftstellerin war sie Teil der noch jungen Frauenbewegung, mit dieser Rolle aber nicht durchgängig im Reinen. Ihre Arbeiten stießen bei männlichen Kollegen auf mitunter begeisterte Resonanz. Für Franz Grillparzer war Betty Paoli „der erste Lyriker Österreichs“.