Alles scheint trostlos, dann gibt es eine essentielle Wendung. Dass so etwas immer möglich ist, deuten zwei Zeilen eines ohnehin kurzen Gedichts an. Ihre Autorin gehört zu den großen, aber kaum bekannten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts.
Die Atmosphäre, die Koenig in der klaustrophobisch verdichteten ersten Strophe erzeugt, wird noch bedrohlicher, wenn der Tag wie ein Stein in einem tiefen Schacht versinkt. Kann ein Lächeln hier Rettung bringen oder ist es nur die Gnade einer letzten Illusion?
Alma Johanna Koenig: Vergeltung
Meine Kindheit war wie ein schwarzer Gang,
durch den ich gehetzt entlief.
Ich rannte die modrigen Mauern entlang
und ich weinte vor Angst und rief …Meine Jugend war wie ein tiefer Schacht,
drin der Tag wie ein Stein versank.
Ich ging durch die Gassen in flammender Nacht
und ferne verhallte Gesang …Meine Reife ist knirschendes Mühlendrehn,
das die kärgliche Brotfrucht mahlt.
Doch als ich nur einmal dich lächeln gesehn,
war alles schon überzahlt …
Die Autorin
Für Alma Johanna Koenig war die Literatur der Weg aus einem schwierigen, oft lieblosen Elternhaus. 1887 in Prag geboren, veröffentlichte sie 1918 ihren ersten Gedichtband „Die Windsbraut“. Mit der Erzählung „Schibes“ (1920) und dem Roman „Der heilige Palast“ (1922) fand sie ein größeres Publikum. Das galt auch für einen nachhaltig erfolgreichen „Brot-Job“, die Übersetzung des Edgar Wallace-Bestsellers „Der Frosch mit der Maske“ (1926).
König gebrauchte den Werkzeugkasten des Expressionismus auf eine eigenwillige, aber durchaus verständnisorientierte Weise. Zahlreiche Texte drehten sich um erotische Themen, sie fand aber auch gesellschaftskritische Töne, etwa in dem Roman „Leidenschaft in Algier“ (1932).
Im Mai 1942 wurde Alma Johanna Koenig aus Wien deportiert und vermutlich im Vernichtungslager Maly Trostinez ermordet. 1947 erschien der Roman „Der jugendliche Gott“, der sie ein Vierteljahrhundert beschäftigt hatte.