Sein Landsmann Heitor Villa-Lobos war ungleich populärer und international erfolgreicher, doch Cláudio Santoro gehörte ebenfalls zu den bedeutenden Komponisten Brasiliens. Zwischen 1940 und 1989 komponierte er 14 Symphonien – mit den Nummern 5 und 7 beginnt eine Gesamteinspielung der Werkgruppe.
Er wurde in Manaus geboren, studierte in Rio de Janeiro und Paris, unterrichtete während der brasilianischen Militärdiktatur an der Musikhochschule Heidelberg-Mannheim und starb schließlich in Brasília: Cláudio Santoro war mit Leib und Seele Südamerikaner, aber auch tief in der Musikgeschichte Europas verwurzelt und überdies ein begeisterter, auch politisch engagierter Anhänger der Moderne.
All das hört man der 1955 entstandenen 5. Symphonie an, die im opulenten Eingangssatz wuchtige Klangmassen gegeneinander schiebt. Die Entwicklung immer neuer Farben und Formen ist hier offenkundig bedeutsamer als die Adaption folkloristischer Momente, die zwar immer wieder auftauchen – am prägnantesten im beinahe tänzerischen Allegro molto assai -, am Ende aber nur Bestandteile eines vielschichtigen Strukturprozesses sind.
Das liest sich theoretischer als es tatsächlich klingt, denn Santoros Musik ist überaus vital, abwechslungsreich und voll überraschender Wendungen. Das gilt auch für eines seiner bedeutendsten Werke. Die 7. Symphonie, die 1964 in Berlin uraufgeführt wurde, ist eine Verbeugung vor der neuen Hauptstadt Brasília, die in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre praktisch aus dem Boden gestampft wurde.
Ein illustrierendes Tongemälde hatte Santoro sicher nicht vorgesehen, doch die mitreißende Aufbruchstimmung jener Jahre, die fieberhafte Suche nach neuen Lebensentwürfen und unbekannten Ausdrucksmöglichkeiten zieht sich wie die markanten viertönigen Motive durch die Symphonie.
Das Goiás Philharmonic Orchestra nutzt seinen „Heimvorteil“ unter der Leitung von Neil Thomson über weite Strecken und setzt die Werke dialogisch, strukturbewusst und mit einer angemessenen Portion Pathos in Szene. Auf weitere Teile der Gesamteinspielung, die im Rahmen der Reihe „The Music of Brazil“ erscheint, darf man gespannt sein.
Cláudio Santoro: Symphonies Nos. 5 and 7 “Brasília”, Naxos