Mehr Wissen über Wälder

Jede(r) von uns hat sich wohl schon einmal gefragt, warum sich die Wälder in den vergangenen Jahren derart stark verändert haben. Doch nur die wenigsten haben hier tiefergreifende Einblicke. Drei Studenten der Forstwirtschaft aus Göttingen wollen das ändern. Im Frühjahr 2020 haben Jan Hüsing, Simon Delkeskamp und Felix Sahlmann ihren Instagram-Kanal „Forst erklärt“ und eine eigene Website mit aufwendig recherchierten Blogbeiträgen auf den Weg gebracht.

Die Resonanz war unerwartet groß. Daher ist das ehrenamtliche Projekt um einen Podcast sowie Videobeiträge erweitert worden. 2021 hat „Forst erklärt“ für die faktenbasierte Kommunikation rund um den Lebens- und Arbeitsraum Wald sowie dessen Bedeutung für den Klimawandel eine Auszeichnung gewonnen: den Smart Hero Award in der Kategorie „Ökologisch wirtschaften“. Wir haben mit Felix Sahlmann gesprochen, um mehr über „Forst erklärt“ zu erfahren.

Kulturabdruck: Wie ist es zu der Idee und schließlich zur Umsetzung von „Forst erklärt“ gekommen?

Felix Sahlmann: Wir kommen alle drei aus Großstädten. Irgendwann haben wir festgestellt, dass Menschen in unserer Umgebung, vor allem Familien und Freunde, uns immer wieder Fragen zum Thema Wald stellen: Sie wollten beispielsweise wissen, warum die Wälder kahl sind oder warum der Borkenkäfer wütet. Da haben wir uns entschlossen, diese Aspekte allen Menschen, die Interesse haben, zu erklären. Also sind wir mit unserem Instagram-Kanal und ersten Beiträgen gestartet.

Dreharbeiten für „Forst erklärt“.

Kulturabdruck: Ihr vermittelt unter anderem Grundlagenwissen zum Thema Wald. Ihr sprecht auf euren Kanälen aber auch mitunter emotional aufgeladene Themen wie Jagen und Klimaschutz an. Wie sind hier die Reaktionen?

Felix Sahlmann: Da sind wir tatsächlich positiv überrascht: Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Leute zu vielen Themen, die oft wegen fehlendem Vorwissen negativ behaftet sind, keine fundierte Meinung haben. Vieles kann man schnell argumentativ aushebeln. Wir konzentrieren uns bei „Forst erklärt“ darauf, wissenschaftlich fundiert zu arbeiten. Wir geben bei jedem Beitrag entsprechende Quellen an. Generell sind wir offen in allen Perspektiven und stellen selbst kritische Fragen. Unser Ziel ist es, Input zu geben und die Wissensbasis zu vermitteln. Die Leute sollen sich ihre Meinung aber selbst bilden. Wir haben festgestellt, dass die meisten Menschen sehr dankbar sind, wenn man ihnen Sachverhalte erklärt.

Kulturabdruck: Hast du ein Beispiel?

Felix Sahlmann: Ein gutes Beispiel ist das Thema Harvester: Diese großen Erntemaschinen bieten ohne Frage viele Vorteile. Beispielsweise stellt das Fällen von Bäumen ein enormes Sicherheitsrisiko für Forstwirt:innen dar. Allerdings sorgt die schwere Maschine auch für eine Bodenverdichtung im Wald, die sich negativ auf das Ökosystem auswirkt.

Was ist nachhaltig?

Kulturabdruck: Stichpunkt Ökosystem: Ihr betont in euren Beiträgen die Bedeutung des Waldes für den Klimaschutz. Im Rahmen der Diskussionen rund um die Bewältigung der Klimakrise wird Aufforstung häufig als Teil einer Lösungsstrategie genannt. Wie schätzt du diesen Ansatz ein?

Felix Sahlmann: Aufforstung ist auf alle Fälle eine gute Sache, wenn hierdurch bestehende Wälder stabilisiert werden. Das Aufforsten an sich ist aber nur eine Steuerung. Denn Wälder haben immer einen gewissen Holzzuwachs. Durch den natürlichen Samenflug wachsen Bäume auf Flächen von selbst nach. Das heißt, Bäume zu pflanzen ist keine Extraleistung im Sinne des Klimaschutzes, sondern eine unterstützende Maßnahme.

Kulturabdruck: Im Sinne der Nachhaltigkeit ersetzen viele Menschen im Alltag bestimmte Materialien durch Holz-Alternativen. Beton ist ein prominentes Beispiel. Hierfür werden allerdings Bäume gefällt. Ist das kein Widerspruch?

Felix Sahlmann: Wenn der Baum Kohlenstoffdioxid aufnimmt, setzt er den Sauerstoff wieder frei und bindet den Kohlenstoff. Wenn ich dieses Holz also woanders verwende, wird Kohlenstoff verlagert, aber immer noch gespeichert. Holz als Werkstoff zu verwenden ist also durchaus sinnvoll, sofern genügend davon vorhanden ist und im Wald verbleibt. Klimaschädliche Stoffe zu ersetzen, nennt man Substitutionsleistung: Es wird ein als gleichwertig angesehener Ersatz verwendet. Wenn ich beispielsweise einen klimaschädlichen Baustoff wie Zement durch Holz ersetze, habe ich dennoch eine Klimaschutzleistung erzielt. Je nach Herkunft ist Holz ein guter Werkstoff mit geringem ökologischen Fußabdruck.

Kulturabdruck: Worauf sollte ich als Verbraucher:in achten, wenn es um die Herkunft geht?

Felix Sahlmann: Wenn in Deutschland für Holz aus heimischen Wäldern das FSC-Siegel vergeben wird, sind die Ansprüche extrem hoch. In anderen Ländern sieht das leider anders aus. In Russland beispielsweise befindet sich die größte Waldfläche weltweit. Hier ist eine Erklärung veröffentlicht worden, die einen Kahlschlag von zertifizierten Wäldern mit Monokultur für die Holzgewinnung rechtfertigt. Die Argumentation lautet, dass das Absterben der Monokulturwälder in der Tundra ein natürlicher Prozess ist. Dementsprechend sei eine Rodung dem natürlichen Absterben nachempfunden.

v.l.n.r.: Jan Hüsing, Simon Delkeskamp, Felix Sahlmann (und Hündin Ardelle)

Dass die Rodung aber auch bedeutet, dass es zu Bodenverdichtungen kommt oder dass kein Totholz auf den Flächen verbleibt, wird völlig ausgeblendet. Die Rodung schadet also dem Ökosystem nachhaltig. Daher ist es beim Kauf von Holzprodukten wichtig zu prüfen, woher der Rohstoff stammt. Im Zweifelsfall ist es besser, nicht-zertifiziertes Holz aus Deutschland zu kaufen. Denn hier sind die gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich strenger.

Kulturabdruck: Welche Rolle spielen hier Förster:innen?

Felix Sahlmann: Förster:innen tragen durch ihre Arbeit jeden Tag dazu bei, die Gesundheit der Wälder zu fördern und zu erhalten. Auch zeigen sie auf, welche Auswirkungen unser Verhalten als Gesellschaft auf den Wald hat. Wir beobachten häufig, dass der Wald nur als Kulisse wahrgenommen wird. Dabei ist er so viel mehr: Er ist Lebensraum unzähliger Individuen und übernimmt wichtige Filterfunktionen für Luft und Grundwasser. Rund 70 Prozent unserer Trinkwasserspeicher liegen in Wäldern.

Der Wald im als Social-Media-Thema: Inhalte und Experten

Kulturabdruck: Eure Beiträge sind sehr umfassend aufbereitet. Wie plant ihr eure Inhalte?

Felix Sahlmann: Instagram lebt von der Spontanität, bei den Videoaufnahmen ist das ganz unterschiedlich. Grundsätzlich profitieren wir davon, dass Jan als gelernter Fotograf sein umfangreiches Medienwissen in die Produktion einbringt. Für die Website haben wir inzwischen eine Redaktionsgruppe aus vier Kommiliton:innen, die die Texte schreiben. Da haben wir schnell gemerkt, dass wir das alles zeitlich nicht allein stemmen können. Hier wird der Content meistens einen Monat im Voraus geplant: Ideen werden gesammelt, Texte geschrieben, gegebenenfalls Rücksprachen mit Expert:innen gehalten, redigiert und so weiter.

Kulturabdruck: Das heißt, ihr arbeitet mit weiteren Expert:innen zusammen?

Felix Sahlmann: Durch das Studium sitzen wir an der Quelle eines enormen Wissensschatzes. Wir greifen immer wieder Wissen auf, das wir unmittelbar weitergeben können. Dass Simon inzwischen als Förster tätig ist, hilft uns an vielen Stellen auch enorm weiter. Außerdem gibt es die „Forst erklärt“-Expert:innen: Das ist eine Gruppe aus Bekannten, die uns bei Fragen rund um ihr Spezialgebiet unterstützen. Hier sind beispielsweise ein Jurist, der sich unter anderem auf Forstrecht spezialisiert hat, und jemand, der sich mit Gefäßpflanzen auskennt, dabei.

Kulturabdruck: Wie wird es mit „Forst erklärt“ perspektivisch weitergehen?

Felix Sahlmann: Simon wollte schon immer Förster werden und hat sich nun seinen großen Traum erfüllt. Jan befindet sich in den letzten Zügen seines Bachelor-Studiums, ich stecke mitten im Master-Studium. Daher haben wir beide die Möglichkeit, „Forst erklärt“ trotz des Zeitaufwands mit dem Studium zu vereinbaren und auch mal die ein oder andere Veranstaltung zu schieben. Für uns ist klar, dass wir in der Öffentlichkeitsarbeit bleiben möchten. Wir können uns vorstellen, „Forst erklärt“ später sogar hauptberuflich fortzuführen.

„Forst erklärt“ als ➤ Blog und auf ➤ Instagram