Mit spielerischer Eleganz

Er trat in die Fußstapfen Johann Sebastian Bachs, wurde von Goethe und Beethoven geschätzt und spielte im Musikleben des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts eine durchaus prominente Rolle. Heute wäre August Eberhard Müller trotzdem vergessen, wenn es nicht leidenschaftliche Anwälte seiner Werke gäbe.

August Eberhards Namensvetter Moritz Wilhelm Gotthard Müller zeichnet in seinem Buch „Weimarische Theaterbilder aus Goethe’s Zeit“ ein zwiespältiges Bild des ehemaligen Leipziger Thomaskantors, der 1810 als großherzoglicher Kapellmeister nach Weimar gewechselt war. Der Dirigent sei einer der schönsten Männer, die er je gekannt habe, überdies intelligent, charaktervoll und bisweilen durchaus liebenswürdig.

Wenn es um die Darbietungen seiner Orchestermusiker ging, zeigte Müller aber offenbar ein ganz anderes Gesicht. Mit Strenge, Unnachgiebigkeit und Härte soll er sein Ensemble geführt und gleich mehrere Mitglieder zum Zittern gebracht haben. Besonders schlimm traf es den Bratschenspieler Neuhaus.

Jede Probe muß dem Neuhaus zur Hölle, wenigstens zum Fegefeuer, und zum allerwenigsten zum Vorhof desselben geworden sein, und die Aufführungen werden ihm auch keine absonderlichen Erquickstunden gebracht haben! Und gerade die Angst, das Zittern und Zagen, womit der schwer Geplagte, eine an sich schon ängstliche und befangene Natur, an seinem Pulte saß, machte das Uebel nur ärger.
Weimarische Theaterbilder aus Goethe’s Zeit

Elf Flötenkonzerte brachte August Eberhard Müller zwischen 1794 und 1817 zu Papier und ihr mozarteskes Klangbild passt nicht ansatzweise zu dem eben beschriebenen, Angst und Schrecken verbreitenden Wüterich. Die ausufernden Kopfsätze – knapp 18 Minuten dauert das einleitende Allegro moderato des 7. Konzerts, das im übrigen tatsächlich mit Pauken und Trompeten aufwartet – bestechen durch eine schier endlose melodische Fülle und einen hochvirtuosen, dabei aber rundum organischen Solopart. Die langsamen Zwischensätze sind stimmungsvoll, hauchzart und so beschaulich wie die Parkszene von Hugo Robert auf dem CD-Cover. Temporeiche Rausschmeißer mit einander jagenden Sechszehnteln oder verschiedenen Rondo-Arten beschließen die Konzerte, die für Zeitgenossen wie Friedrich Rochlitz einst „von entschiedenem, bleibendem Werth“ waren.

Tatjana Ruhland und das von Timo Handschuh dirigierte Südwestdeutsche Kammerorchester unterstreichen dieses Urteil nun mit einem weiteren kräftigen Bogenstrich. Nachdem sie 2014 bereits die Flötenkonzerte Nr.1, 3 und 10 aus der unverdienten Versenkung holten, erstrahlen nun die Nummern 5, 7 und 8 in neuem Glanz. Keine Note habe der Kapellmeister Müller „auf die Erde fallen“ lassen, schwor der oben zitierte andere Müller. Tatjana Ruhland wäre es in der Weimarer Hofkapelle demnach weit besser ergangen als dem unglücklichen Bratscher Neuhaus.

Ihre präzise, makellose und unangestrengte Interpretation betont nicht nur den Repertoirewert der vorgestellten Werke, sondern auch die Originalität eines Komponisten, der bei aller Verehrung der Klassiker seine eigene Vorstellung von zeitloser Schönheit hatte. Handschuh und das Südwestdeutsche Kammerorchester erweisen sich dabei als souveräne, aufmerksame und wahrhaft stilbewusste Partner.

August Eberhard Müller: Flötenkonzerte Nr.5 e-moll op.19; Nr.7 d-moll op.22; Nr.8 F-Dur op.24, cpo