Musik aus Eisen und Stahl

Das neue Album des Cleveland Orchestra vereint zwei selten gespielte Werke in einer herausragenden Interpretation: Sergej Prokofjews 2. Symphonie aus den Jahren 1924/25 und Alfred Schnittkes 1979 komponiertes Konzert für Klavier und Streicher.

Marschrhythmen als Nachklang des Ersten Weltkriegs, orthodoxe Kirchenmusik, verzerrte Tanzweisen und der kreischende Maschinentakt der Roaring Twenties: Das „Allegro ben articolato“, mit dem Prokofjew die 2. Symphonie eröffnet, schlägt mit verstörender Wucht den Puls seiner Entstehungszeit. Zehn atemlose Minuten jagt dieses expressionistische Kaleidoskop der Idee des Komponisten entgegen, ein Werk „aus Eisen und Stahl“ zu schaffen.

Der zweite Satz bildet mit seinem sechsfach variierten Thema nur einen scheinbaren Kontrast. Nach einer trügerischen Ruhephase stapeln sich dissonante Klangmassen erneut zu gewaltigen Explosionen, die eine Rückkehr zur Normalität endgültig ausschließen.

Schnittkes Konzert entstand ein gutes halbes Jahrhundert später und war ganz sicher keine Antwort auf die 2. Symphonie Prokofjews. Trotzdem finden sich Entsprechungen – etwa in der gezielten Zerstörung monotoner Rhythmen und idyllischer Ausblicke, die Schnittke als „surrealistische Sonnenaufgangsfetzen von orthodoxer Kirchenmusik“ beschrieb. Orchester und Pianist schütten diese Ruheinseln immer wieder mit hektischen, grellen Ausbrüchen zu, wollen den Dialog aber offensichtlich auch nicht aufgeben.

Das Cleveland Orchestra unter der energiegeladenen, klug disponierenden Leitung von Franz Welser-Möst entwickelt mit Yefim Bronfman eine fesselnde Interpretation des Schnittke-Konzerts und lässt dieser eine maßstabsetzende Einspielung von Prokofjews 2. Symphonie folgen.

Dass die Akteure auf gleichbleibend hohem Niveau musizieren können, ist keine wirkliche Überraschung. Allerdings entstanden beide Aufnahmen unter ganz unterschiedlichen Bedingungen. Die Prokofjew-Symphonie wurde kurz vor Beginn der Corona-Pandemie im Adrienne Arsht Center bei einer Live-Aufführung mitgeschnitten. Schnittkes Klavierkonzert ist hingegen das Ergebnis eines Konzertes ohne Publikum. Die Aufzeichnung fand in der Severance Hall statt, die seit 1931 Heimat des Cleveland Orchestra ist.

Sergej Prokofjew: 2. Symphonie op.40 / Alfred Schnittke: Konzert für Klavier & Streicher, The Cleveland Orchestra