Nach der Höllenfahrt geht´s weiter

Der Stoff, aus dem Lorenzo da Ponte und Wolfgang Amadeus Mozart ein Meisterwerk für die Ewigkeit schufen, fand schon rund 120 Jahre früher einen begeisterten Abnehmer. Alessandro Melanis Oper „L´empio punito“, der allererste „Don Giovanni“, wird neuerdings wieder häufiger gespielt und liegt nun auch auf DVD und Blue-ray vor.

1669 versammelten sich im römischen Palazzo Colonna kirchliche Würdenträger und Vertreter des Hochadels wie Königin Christina von Schweden, um der Uraufführung der ersten Oper beizuwohnen, die auf Tirso de Molinas „El burlador de Sevilla y convidado de piedra“ basierte. „L´empio punito“ („Der bestrafte Wüstling“) geriet bald in Vergessenheit und kehrte erst 2003 im Rahmen des Leipziger Bachfestes auf die Bühne zurück.

Eine nachhaltige Renaissance zeichnete sich damals nicht ab. Das Stück werde „wohl schnell wieder in der Versenkung verschwinden, in der es 300 Jahre lang ruhte“, meinte der wenig begeisterte Kritiker des „Tagesspiegel“. Doch der erste Don Giovanni tauchte wieder auf. In Montpellier und Turin, in einer – auch auf CD erschienenen – Ko-Produktion des Teatro Verdi (Pisa) und des Teatro Manzoni (Pistoia), 2019 beim Reate Festival in Rom und 2020 bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik.

Auf DVD und Blue-ray gibt es nun die Produktion aus Rom, die allemal sehenswert ist, auch wenn sie rund 50 Minuten weniger Melani-Musik enthält als die CD-Einspielung und obendrein eine diskussionswürdige Umbesetzung vornimmt. Die Titelpartie, die für einen Kastraten komponiert wurde, singt hier der Bariton Mauro Borgioni.

Regisseur Cesare Scarton gelingt trotz (oder vielleicht wegen) solch weitreichender Eingriffe der Nachweis, dass die Geschichte des skrupellosen Frauenhelden Acrimante, der von jeder neuen Liebe unwiderstehlich angezogen und von jeder abgelegten erbarmungslos verfolgt wird, auch in dieser Form bühnentauglich ist.

Scarton inszeniert das Verwirrspiel der Begierden und Gefühle zwischen Rampen und Vorhängen, die permanent in Bewegung sind (Bühnenbild: Michele Della Cioppa) und den Protagonisten keinen sicheren Stand erlauben. Wer hier auf welcher Seite ist, bleibt auch für die Beteiligten lange im Unklaren und die finale Höllenfahrt dient eigentlich nur dazu, Acrimante ein neues Betätigungsfeld zu eröffnen. Kaum angekommen, trifft der nicht wirklich bestrafte Wüstling auf Proserpina, die offenbar willens ist, umgehend in die Fußstapfen ihrer zahllosen überirdischen Vorgängerinnen zu treten.

Die zeitgemäße Umsetzung, Melanis vorwärtsdrängende, mitunter extrem suggestive Musik, aber auch die vielschichtige Textvorlage, die auf Filippo Acciaiuoli zurückgeht, sind gute Argumente für eine weitere Beschäftigung mit „L´empio punito“.

Zumal die Oper eine Reihe dankbarer Solopartien enthält – und das nicht nur für Acrimante und Bibi, die von Mauro Borgioni und Giacomo Nanni einprägsam verkörpert werden. An ihrer Seite erweisen sich Sabrina Cortese (Atamira), Michela Guarrera (Ipomene), Carlotta Colombo (Cloridoro), Alessandro Ravasio (Atrace) und der Tenor Alessio Tosi, der die Kammerzofe Delfa zu einem schrillen Bühnenleben erweckt, als engagierte Anwälte für ihre selten gespielten Rollen.
Für den Instrumentalpart zeichnet das Reate Festival Baroque Ensemble unter der zupackenden Leitung von Alessandro Quarta verantwortlich.

Alessandro Melani: L´empio punito, DVD / Blue-ray, Dynamic