Nachhaltige Märchenoper

30 Jahre lang versuchte Antonín Dvořák die Opernbühne zu erobern, ehe ihm mit „Rusalka“ (1901) ein durchschlagender Erfolg gelang, der bis heute anhält. Die Geschichte der Wassernixe, die ihre Heimat aus Liebe verlässt und bitter enttäuscht wird, inspirierte Natalie Abrahami and Ann Yee am Royal Opera House zu einer bilderreichen Parabel über das Verhältnis zwischen Mensch und Natur.

Von der Verwandlung in ein menschliches Wesen hat Rusalka eine furchteinflößende Operationsnarbe zurückbehalten, die sich blutverschmiert über das gesamte Rückgrat zieht. Doch die Schlossgesellschaft stört bereits, dass sie nicht spricht und mit den Standard-Geliebten ihres Prinzen kaum etwas gemein hat. Schon nach wenigen Minuten des zweiten Aktes ist klar: Rusalka hätte auf die warnenden Stimmen des weisen Wassermanns und der Hexe Ježibaba hören sollen. Doch jetzt ist es zu spät. Nicht nur für das verzweifelte Fabelwesen, sondern auch für den Menschen, der seine natürliche Umgebung lediglich unter dem Gesichtspunkt der permanenten Ausbeutung betrachtet.

Die Regisseurinnen Natalie Abrahami and Ann Yee, Bühnenbildnerin Cloe Lamford und Kostümbildnerin Annemarie Woods setzen den märchenhaften Charakter der Oper mit großem Aufwand in Szene. Sie ziehen ihr Publikum tief in die magische Wald- und Wasserwelt hinein, die Dvořák auf unnachahmliche und suggestive Weise zum Klingen gebracht hat. Der Mensch muss hier als Störfaktor empfunden werden, vor allem wenn er als Jäger und Besitzer auftritt – wie der von Rusalka umschwärmte Prinz, der erst im Angesicht des Todes erkennt, dass er nur in der Versöhnung mit der Natur Ruhe und Erlösung finden kann.

Schlechte Luft am Hof des Prinzen

Die Neuinszenierung geht nicht weit über solche Gemeinplätze hinaus und vermeidet weitergehende Diskussionen und überhaupt alles Konfrontative. Das mag man als vertane Chance bedauern, aber das sehenswerte Ambiente bietet immerhin einen sehr atmosphärischen Spielraum, den die Darsteller zu nutzen verstehen. Asmik Grigorian leiht Rusalka nicht nur ihre charaktervolle Stimme, sondern auch eine bewegende emotionale Tiefe, die den hoffnungsfrohen Abschied von einem traditionsreichen, aber einengenden Dasein ebenso glaubhaft erscheinen lässt wie den Zusammenbruch aller Hoffnungen, der trotzdem mit Würde ertragen wird.

Der forsche Tenor David Butt Philip überzeugt als selbstgefälliger, bisweilen hysterischer und schließlich reuevoller Prinz, während Aleksei Isaev den sonoren, aber innerlich keineswegs ausgeglichenen Wassermann gibt. Sarah Connolly bringt als Ježibaba eine weitere schillernde Figur auf die Bühne, Emma Bell gibt die intrigante, zänkische Fürstin, die Rusalka das ersehnte Menschenleben endgültig verleidet.

Ein absoluter Höhepunkt der Produktion ist die Darbietung des Orchestra of the Royal Opera House, das unter der Leitung von Semyon Bychkov alle Facetten der Partitur zum Schimmern, Glitzern, Leuchten, Glänzen und Strahlen bringt. Feinnerviger und volltönender kann dieses Meisterwerk kaum orchestral begleitet werden.

Antonín Dvořák: Rusalka, DVD und Blu-ray, Opus Arte