Nah am Meister

Der geniale Lehrer, der in einem Fall sogar der leibliche Vater war, hatte zweifellos entscheidenden Einfluss auf die künstlerische Entwicklung von Johann Gottlieb Goldberg und Wilhelm Friedemann Bach. Doch der übergroße Schatten von Johann Sebastian Bach überdeckte auch ihre eigenständigen und ebenfalls herausragenden Leistungen. Das Ensemble Diderot stellt im fünfzehnten Jahr seines Bestehens die Werke der Schüler in den Mittelpunkt seiner neuen Einspielung.

Der findige Ensemble-Leiter Johannes Pramsohler plädiert nicht nur musikalisch, sondern auch in einem Begleittext für eine Neubewertung dieser Raritäten. Ein Triosonatensemble in Standardbesetzung komme „nicht näher an Bach heran“ als mit Goldbergs vier Sonaten für zwei Violinen und Basso continuo. „Sie haben es verdient, einen Platz im Zentrum des Repertoires einzunehmen, reihen sie sich doch ob ihres musikalischen Gehalts, ihrer kreativen Einfälle und der kompositorischen Raffinesse in die Riege der ganz Großen ein“, so Pramsohler.

Tatsächlich widerlegen Goldbergs höchst abwechslungsreiche, melodisch feinsinnige und kontrapunktisch ausgefeilte Stücke das Klischee vom technisch brillanten, aber phantasiearmen Tastenvirtuosen äußerst überzeugend. Die jeweils etwa zehn intensiven Minuten zeigen, dass die Musikwelt Goldberg deutlich mehr verdankt als das zentrale Thema der genialen, nach ihm benannten Variationen von Johann Sebastian Bach.

Das Ensemble Diderot lässt den vier Sonaten freilich auch eine herausragende Interpretation zuteilwerden. Johannes Pramsohler und Roldán Bernabé (Violine), Gulrim Choï (Cello) und Philippe Grisvard (Cembalo) zeichnen wundervoll aufeinander abgestimmte Miniaturen, die kristallene Klarheit mit einer komplexen Faktur vereinigen. Das phänomenale Timing der vier Musiker kommt auch dem einzigen Werk von Wilhelm Friedemann Bach zugute. Begeisterter und versierter als seine um 1755 entstandene Triosonate in B-Dur kann Kammermusik dieser Zeit kaum gespielt werden.

Johann Gottlieb Goldberg / Wilhelm Friedemann Bach: Triosonaten, Audax Records