Der römische Dichter Quintus Horatius Flaccus (65-8 v. Chr.) beschäftigte sich schon vor mehr als 2.000 Jahren mit einer Frage, die angehende Autoren auch heute noch umtreibt, Lässt sich das Schreiben erlernen? Oder ist es vielleicht einfach angeboren?
Der in Venusia geborene Dichter, der in Rom und Athen die Literatur der alten und neuen Zeiten studierte, mochte keine dieser Alternativen bevorzugen. In seiner „Ars poetica“ stellte Horaz fest, Schreibende wollten mit ihren Texten nützlich sein (prodesse) und/oder unterhalten (delectare) – um die Ziele zu erreichen, gebe es allerdings unterschiedliche Wege.
Ob durch Naturtalent eine Dichtung Beifall erringt oder durch Kunstverstand, hat man gefragt. Ich kann nicht erkennen, was ein Bemühen ohne findige Ader oder was eine unausgebildete Begabung nützt; so fordert das eine die Hilfe des anderen und verschwört sich mit ihm in Freundschaft.
Ars poetica
Für Goethe, Schiller und andere Revoluzzer der 1770er Jahre wäre das undenkbar gewesen. Sie propagierten die Ästhetik des Sturm und Drang, begeisterten sich für geniale Ausnahmemenschen und hielten von einer schrittweisen, jahrelangen, womöglich auf Bücher gestützten Ausbildung überhaupt nichts. Daran änderte sich bis ins 20. Jahrhundert wenig, Ratgeber zum „Kreativen Schreiben“ fand man in Buchhandlungen lange nur in der Selbsthilfeecke.
Gegenstimmen gab es freilich immer, etwa von Gottfried Benn, der von losen Inspirationen wenig hielt und lieber auf sprachliches Geschick setzte, das in diesem Kontext durchaus als eine Art handwerkliches Können betrachtet werden darf. „Ein Gedicht entsteht überhaupt sehr selten – ein Gedicht wird gemacht“, gab Benn zu Protokoll.
Seit den 1970er Jahren schlagen sich viele Kommentatoren auf die Seite derjenigen, die das Schreiben – in Büchern, Seminaren oder Online-Kursen – erlernen wollen. Der ehrfurchtsvolle Blick auf das Genie wurde durch Serviceliteratur und funktionierende Ansätze aus dem anglo-amerikanischen Raum abgelöst. Nicht nur deshalb gibt es heute eine so große Menge an Angeboten zum Schreibenlernen.
Letztlich wusste aber schon Horaz: Wer ein guter Läufer oder auch ein guter Flötenspieler werden will, der muss dafür viel üben und trainieren. Das gilt ebenso für gute Schreiber: Begabung ist gut und schön, hilfreich und wichtig. Sie reicht aber allein nicht aus. Wer einen gelungenen, „funktionierenden“ Text zu Papier bringen will, muss nachdenken, ausprobieren, feilen, mitunter noch einmal von vorne anfangen – kurz gesagt: fleißig sein und arbeiten.