In einer Welt, in der Wissen immer nur einen Klick entfernt scheint, ist es ungewohnt, wenn man Dinge nicht im Detail wissen will, sondern sie im Ungefähren belässt. Gerade beim Schreiben kann das aber einen ganz besonderen Reiz haben.
Erkenntnisse der Neurobiologie legen nahe, dass ein Großteil der Annahmen, auf die wir unsere Urteile bauen, bei weitem nicht so zutreffend sind, wie wir glauben. Vorschnelle Urteile können uns sogar von der wirklichen Erkenntnis abhalten. In unserer wissenszentrierten Welt kann es zudem eine Erholung sein, nicht immer alles wissen zu müssen. In der Natur um uns passieren Dinge – ohne dass ich wissen muss, wieso. Sie brauchen mich nicht, um stattzufinden. Und gerade das kann Freiheit geben, einfach zu beobachten, ohne ständig zu bewerten.
Wenn man im Februar und März in die Natur lauscht, lassen sich immer mehr von der Winterreise zurückgekehrte Zugvögel hören, die uns mit ihrem Gesang verzaubern und so den Winter vertreiben (Auch wenn sie in Wahrheit und ganz profan damit nur ihr Revier markieren). Wir können außerdem die ersten Schneeglöckchen sehen, die mutig den zum Teil noch gefrorenen Boden durchbrechen, als Erste der Kälte trotzen und durch ihre Blüten den Frühling herbeirufen. (Auch wenn sie das tatsächlich nicht tun, um den Winter zu vertreiben, sondern weil sie in ihrer Zwiebel die nötige Energie und Baustoffe gespeichert und gegen die Kälte Salze eingelagert haben, die ein Gefrieren der Pflanzensäfte verhindern. Sie rufen auch nicht den Frühling herbei, sondern dienen Insekten und Vögel als erste Nahrung und die plötzlich wieder sichtbaren Tiere erwecken den Eindruck des Frühlings).
Mit meinen Erklärungsversuchen sollten Sie natürlich vorsichtig sein, denn es wird immer jemanden geben, der es genauer und besser weiß. Aber das macht nichts, in einer immer komplexer werdenden Welt gibt es zwangsläufig immer etwas, das ich nicht vollständig verstehen kann. Wobei – und darauf sei klar hingewiesen – ein nicht zu unterschätzender Unterschied zwischen „nicht alles wissen wollen/können“ und „Fakten ignorieren“ besteht.
„Nature Writing“ bringt oft auch einen Perspektivwechsel mit sich. Wie wäre es, sich eine halbe Stunde zu gönnen, in der man nicht alles sofort verstehen muss?
Suchen Sie doch etwas in der Natur, was Sie nicht auf Anhieb verstehen, lassen Sie es auf sich wirken und beobachten Sie, was weiter passiert. Und wenn Sie das Gefühl haben, Sie hätten jetzt alles verstanden, dann schauen Sie ruhig noch weiter zu. Vielleicht erkennen Sie nach einer Weile mehr, als Sie anfangs vermutet haben und können daraus eine neue, eine ganz andere Story entwickeln …