Otto Modersohn und die Kunst der Gegenwart

1889 zählte er zu den Mitbegründern der Künstlerkolonie in Worpswede bei Bremen. Sein künstlerisches Erweckungserlebnis jedoch hatte Otto Modersohn (1865-1943) im westfälischen Tecklenburg. Seit 2015 hält dort ein kleines, aber feines Museum die Erinnerung an das Wirken des bekannten Malers wach.

Seine erste Begegnung mit Tecklenburg fand 1885 in Begleitung seines Vaters, dem Brandsachverständigen der Provinzial-Versicherung in Münster, im Rahmen einer Dienstreise statt. Sie blieb nicht ohne Folgen. An Tecklenburg begeisterte und inspirierte den im platten Münster (vorher Soest) aufgewachsenen Modersohn wohl vor allem das malerische Hügelland. Für ihn waren die Aufenthalte in Tecklenburg durchaus eine Art „Sommerfrische“.

In Tecklenburg erlebte Modersohn sein künstlerisches Coming Out, erzählt Uta Jenschke, Leiterin des Otto Modersohn Museums Tecklenburg (OMMT). Hier entstanden seine ersten Zeichnungen. Ständig führte er einen Skizzenblock mit sich. In der Folgezeit besuchte er den malerischen Ort immer wieder und fand Quartier bei seinem Bruder Wilhelm, dem Amtsrichter in Tecklenburg, in dessen Wohnhaus Am Markt 7 (heute Haus des Gastes, unmittelbar neben dem Museum gelegen).

Die Streitereien mit seiner Schwägerin Elsbeth gipfelten schließlich in der Lampenaffäre. „Elsbeth verhielt sich ignorant seiner Kunst gegenüber, blickte auf ihn herab und sah in ihm einen Zeitdieb. Dazu kam ihr Sparzwang. Modersohn las sehr viel, das dazu notwendige Licht verwehrte sie ihm, um Petroleum zu sparen“, beschreibt Uta Jenschke das gespannte Verhältnis der beiden.

Vielleicht ein Grund, warum Modersohn Tecklenburg den Rücken kehrte. Die Idee zur Gründung einer Künstlerkolonie wurde nicht in Westfalen, sondern im Teufelsmoor bei Bremen realisiert. Trotzdem führte es Modersohn bis zu seinem Tode 1943 immer wieder in die westfälische Kleinstadt. Ausgewählte Stationen seines Tecklenburgers Schaffens verbindet ein etwa 4,5 Kilometer langer Wanderweg, das sogenannte Teutoschleifchen ➤ „Modersohns Spuren“.

Museum für (mehr als) einen Maler

Die Idee zur Museumsgründung stamme von Rainer Noeres, neben Antje Modersohn, einer Enkelin des Malers, Leiter des Otto Modersohn Museums in Fischerhude bei Bremen. Geäußert wurde sie, weiß Jenschke zu berichten, im Rahmen eines Vortrags in Tecklenburg 2014. Ein kunstinteressiertes, wohlhabendes Ehepaar konnte 2014 das ehemalige Ackerbürgerhaus Am Markt 9 erwerben. Nach dem ebenfalls finanzierten Umbau wurde das Museum am 25. Oktober 2015 eröffnet.

Als Dauerleihgabe des Kreises Steinfurt hängen dort einige der prägenden Gemälde seiner Tecklenburger Zeit – wie etwa die „Stadtansicht mit Ackerlandschaft“ oder der „Wintertag in Tecklenburg“ (beide 1892). Ende 2021 erhielt das OMMT eine erste finanzielle Förderung durch die Stadt – ein Vorgang mit Symbolcharakter, findet Jenschke, die sich sehr um eine stärkere Wahrnehmung und Verankerung des Museums in der Öffentlichkeit bemüht. Die Besucherzahlen des Gründungsjahres (15.000) konnten in den Folgejahren nicht gehalten werden, aber vor Corona kamen immerhin knapp 10.000 Besucher jährlich in das Museum.

Längst werden im OMMT nicht mehr nur Werke Modersohns gezeigt. Es gehe vielmehr darum, sich mit dem Begriff der Landschaftsmalerei, seinem Wandel und auch vielfältigen Interpretationen auseinanderzusetzen, sagt Jenschke. Regelmäßige Wechselausstellungen setzen ganz unterschiedliche Natur- und Landschaftsbilder, auch aus der aktuellen Kunst, zu einander in Beziehung.

Die neue Ausstellung

Von Ende April bis Ende September 2022 gehört die Bühne den beiden Künstler*innen Lena von Goedecke (Bildhauerei) und Thomas Wrede (Fotografie). Titel der Ausstellung: „Kryal. Vom Verschwinden des Eises“. Ihre auf zahlreichen Expeditionen in das Eis der Arktis und der Alpengletscher entstandenen Werke sind komplexe und intensive Zeugnisse der verheerenden Zustände dort, wo sich unsere Welt in einem besonders offenkundigen Wandel befindet.

 

Sie liefern uns dialogisch-zweistimmig aufwühlende Zeitdokumente des Anthropozäns und weisen die so maßgeblich durch den Menschen verursachten globalen klimatischen Auswirkungen auf die lokalen Biosphären nach. Es sind Bilder zwischen Dokumentation und subjektivem Sehen, die das Natürliche und das Künstliche verschmelzen lassen. Sie zeigen auf, dass die Klimakrise und die damit einhergehenden – nicht nur landschaftlichen – Veränderungen sich bereits sehr nahe, mittlerweile in Europa, abspielen.

Mehr Informationen auf der ➤ Homepage des OMMT. Wer sich für Leben und Werk Otto Modersohns interessiert, wird natürlich auch in dem ➤ nach ihm benannten Museum in Fischerhude fündig.