Kein Bereich unserer Umwelt bleibt von Plastikteilchen verschont. Durch Flüsse und Meere gelangen sie bis in die Arktis, die Antarktis oder die Tiefsee. Doch Wind kann Mikroplastik ebenfalls weit und noch deutlich schneller transportieren.
Zwischen 0,013 und 25 Millionen Tonnen Mikro- und Nanoplastik werden derzeit Jahr für Jahr durch Meeresluft, Schnee, Meeresgischt oder Nebel befördert. Sie legen dabei tausende Kilometer zurück – länderübergreifend und auch die Grenzen der Kontinente halten sie nicht zurück. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Team aus 33 Forschenden, unter ihnen Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts, des Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung (AWI), des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung Potsdam (IASS) und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel.
„Luft ist ein viel dynamischeres Medium als Wasser“, erklärt Dr. Melanie Bergmann vom AWI, Mitautorin der in ➤ „Nature Reviews Earth & Environment“ erschienenen Untersuchung. „Mikro- und Nanoplastik kann so viel schneller in die wenigen bislang noch fast unberührten und entlegensten Bereiche unseres Planeten vordringen.“ Hier könnten die Teilchen das Oberflächenklima und die Gesundheit von Ökosystemen beeinflussen und u.a. dazu beitragen, dass Schnee und Eis schmelzen, die Ozeane weiter erhitzt oder Wolkenbildung und Klima beeinflusst werden.
Kunststoffteilchen gelangen einerseits durch den Straßenverkehr oder Industrieprozesse in die Atmosphäre. Mikroplastik kann aber auch aus Küstenzonen über Strandsand ins Meer getragen werden. Durch Gischt, Wind und Wellen bilden sich Luftblasen im Wasser. Sie enthalten Mikroplastik, das beim Platzen der Blasen in die Atmosphäre gelangt.
Um die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Ozean besser zu verstehen, wollen die Forscher noch genauer herausfinden, welche Partikelgrößen in welchen Mengen übertragen werden. Zu diesem Zweck wurden bei einer Polarstern-Expedition in die Arktis im vergangenen Jahr bereits Experimente durchgeführt – die Forschung steht allerdings noch am Anfang. „Es gibt so viele Aspekte, die wir noch immer nicht über die Emissionen, den Transport und die Auswirkungen von Mikroplastik in der Atmosphäre wissen“, sagt Mitautor Professor Dr. Tim Butler vom IASS. In der aktuellen Publikation würden deshalb Wissenslücken dargelegt und ein möglicher Weg in die Zukunft aufgezeigt.
Internationale Zusammenarbeit und menschliche Gesundheit
Professorin Dr. Sylvia Sander vom GEOMAR ergänzt: „Die Studie verdeutlicht, dass übergreifende Erkenntnisse zum Ozean und den Auswirkungen menschlicher Einflüsse darauf, durch die Vernetzung von Forschenden und ihren Daten überhaupt erst möglich werden. Die größten Herausforderungen unserer Zeit liegen auf globaler Ebene. Wir müssen daher drängenden aktuellen Fragen mit möglichst umfassender internationaler Expertise auf den Grund gehen. Das geht nur gemeinsam.“
Wenn Mikro- und Nanoplastik durch die Atmosphäre verteilt werde, habe das auch Konsequenzen für die menschliche Gesundheit, meinen die Wissenschaftler. In einer kürzlich erschienenen britischen Studie sei Mikroplastik in elf von 13 Lungen lebender Menschen nachgewiesen worden. „Auch aus diesem Grunde sollten wir Plastik in Überwachungsprogramme zur Luftqualität miteinbeziehen“, fordert Melanie Bergmann, die überdies dafür plädiert, die Produktion von neuem Plastik im Rahmen eines internationalen Abkommens schrittweise zu senken.