Zum zweiten Mal stellen wir ein „Objekt des Monats“ aus dem Museum für Kunst- und Kulturgeschichte in Dortmund vor. Diesmal geht es um ein Pastellgemälde von Max Liebermann, auf dem ein einflussreicher Bankier und bedeutender Kunstmäzen zu sehen ist.
Max Liebermanns Porträt des Bankdirektors Julius Stern (1858-1914) zeigt einen vornehm dunkel gekleideten älteren Herrn, der in bequemer Pose in einem Lehnstuhl sitzt. Seine Hände ruhen auf der Lehne und den übereinander geschlagenen Beinen. Das faltenreiche Gesicht verrät einiges über seine verantwortungsvolle Position als Direktor der Nationalbank für Deutschland und als Verwaltungsmitglied einer großen Anzahl von in- und ausländischen Industriegesellschaften. Mit wachen, fragenden und leicht traurigen Augen schaut er den Betrachter an.
Entstanden ist das Pastellgemälde auf der Staffelei des Malers Max Liebermann (1847-1935), dem bedeutendsten Vertreter des deutschen Impressionismus und wohl einflussreichsten Künstler Berlins um 1900. Der Präsident der Berliner Secession lebte unweit des Brandenburger Tors im Haus Pariser Platz 7. Im Dachgeschoss befand sich sein Atelier, ausgestattet mit großen Fenstern, Teppichen und vielen Gemälden. Hier saß Julius Stern 1906 dem Künstler Porträt, der eigens einen weißen Kittel über den feinen Zwirn geworfen hatte. Im Auftrag der Nationalbank für Deutschland sollte anlässlich des 25jährigen Dienstjubiläum Sterns ein Ölgemälde entstehen. Als Studie dazu malte Liebermann das Pastellbild, das in den Besitz des Porträtierten kam und sich heute im Museum für Kunst und Kulturgeschichte befindet.
Beide Männer kannten sich gut. Stern war ein bedeutender Förderer der Berliner Secession und wie Liebermann ein leidenschaftlicher Sammler impressionistischer Kunst. Er nannte Werke von Manet, Monet, Pissaro, Sisley, Cézanne, van Gogh, Gauguin, Picasso und vielen anderen Malern sein Eigen, besaß zudem viele Werke Liebermanns.
Am 23. März 1914 verstarb Julius Stern im Alter von 56 Jahren während einer Konferenz in der Nationalbank. Die Trauerfeier wurde zwei Tage später in seiner Wohnung im Tiergarten-Viertel ausgerichtet, wo der Tote im Sarg vor der Bildergalerie aufgebahrt war. Bedeutende Persönlichkeiten aus Kreisen der Finanzwelt, des Handels und der Politik sowie Vertreter der Kunst und Wissenschaft waren gekommen, darunter auch der Vizepräsident des deutschen Reichstags.
In einer Trauerrede würdigte Max Liebermann das jahrelange Engagement Sterns für die Berliner Secession sowie dessen wohlwollende Haltung zu der erst im Februar 1914 neugegründeten Freien Secession. Nach Reden des Kunsthistorikers Julius Meier-Graefe (1867-1935) und des Architekten Henry van de Velde (1863-1957) wurde der Leichnam anschließend auf dem jüdischen Friedhof begraben.
Liebermann konnte die Witwe, die Künstlerin Malgonia Stern geb. Karpeles (1871-1914) davon überzeugen, die hochkarätige Sammlung für die erste Ausstellung der Freien Secession auszuleihen, die ab dem 11. April 1914 am Kurfürstendamm zu sehen war. Ein separater Raum wurde extra dafür eingerichtet. Die Ausstellung lief noch, als sich Dramatisches in Geltow bei Potsdam anbahnte. Die Witwe hatte sich in ihr dortiges Landhaus zurückgezogen. Am Morgen des 20. Mai 1914 ruderte sie auf die Havel hinaus und verübte Selbstmord, indem sie das Boot zum Kentern brachte. Sie hinterließ den erst 15jährigen gemeinsamen Sohn.
Das Ehepaar hatte testamentarisch verfügt, dass Teile ihres Vermögens in Stiftungen fließen sollten. So wurde die Sammlung 1916 im Kunstsalon Paul Cassirer durch den Auktionator Hugo Helbing versteigert. Das Pastellbild war hier nachweislich zu sehen, aber es war unverkäuflich. Ob es noch im Familienbesitz war oder bereits einen Kunstliebhaber gefunden hatte, konnte bislang noch nicht geklärt werden. 1967 wurde es aus dem Kölner Kunsthandel für das Museum für Kunst und Kulturgeschichte erworben.