Primetime für das, was wirklich zählt

Eine regelmäßige Klimaberichterstattung? Fehlt bislang im deutschen Fernsehen. Der gemeinnützige Verein „KLIMA° vor acht“ will das ändern. Die Beweggründe erklärt Pressesprecherin Friederike Mayer im Gespräch mit „Kulturabdruck“.

Im Jahr 2020 hatten von 227 Sendungen „Vor acht“-Sendungen, welche die ARD der Wissensvermittlung widmet, nur 10 Sendungen einen Bezug zur Klimathematik. So die Auswertung der Mitglieder von „KLIMA° vor acht“, die sich dafür einsetzen, dass der Themenkomplex zukünftig größere Aufmerksamkeit in der deutschen Medienlandschaft erfährt.
Dass Formate wie „Börse vor acht“ abgeschafft werden sollen, fordern sie dabei nicht. Das Ziel von KLIMA° vor acht ist es, einem der brisantesten Themen unserer Zeit einen prominenten Sendeplatz zu verschaffen.

Kulturabdruck: Worum geht es bei „KLIMA° vor acht“? Was sind die Ziele, was motiviert Sie?

Friederike Mayer: Mit der Initiative fordern wir ein tägliches Kurzformat zum Thema Klimakrise, das Hintergründe und aktuelle Ereignisse aufbereitet. Wir fordern, dass das Thema einen prominenten Sendeplatz erhält. Dabei richten wir uns vor allem an die Öffentlich-Rechtlichen, da diese einen Informations- und Bildungsauftrag haben.

Friederike Mayer

Friederike Mayer: Wir haben uns entschieden Geld zu sammeln, um ein Beispielformat zu produzieren. Aktuell sind sechs Episoden in Ausarbeitung, die über unseren YouTube-Kanal veröffentlicht werden. „KLIMA° vor acht“ soll als konstruktive Kritik verstanden werden. Ein Format, das zeigt, wie Klimaberichterstattung zukünftig aussehen könnte. Wir wollen den Sendern keinesfalls etwas vorschreiben, wir möchten nur, dass dem Thema größere Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Kulturabdruck: Sie beschäftigen sich mit einem hochkomplexen Thema. Wie bereiten Sie die Materie auf?

Bei sämtlichen Themen haben wir darauf geachtet, dass die Informationen wissenschaftlich fundiert aufbereitet sind. Wir haben Interviews mit Fachleuten für die einzelnen Themen geführt, die Inhalte gegenprüfen lassen. Es ist ein wichtiger Teil unseres Sendekonzepts, dass wir Lösungsansätze aufzeigen und konstruktiven Journalismus bieten.

Kulturabdruck: Nach welchen Kriterien haben Sie entschieden, welche Aspekte in den ersten sechs Episoden aufgegriffen werden?

Friederike Mayer: Von Anfang an stand fest, dass es ein Kurzformat werden wird. Wir haben uns hier an den Formaten „Börse vor acht“, „Wissen vor acht“ und „Wetter vor acht“ orientiert, die kurz vor der Tagesschau, also zu einer sehr prominenten Sendezeit, laufen.
Es gibt unglaublich viele Themen, die man hätte aufgreifen können. Letztendlich haben wir uns dazu entschieden, viele verschiedene Themen abzubilden, um zu zeigen, wie groß das Spektrum möglicher Themen ist. Zum einen sollen die Episoden grundlegendes Wissen vermitteln. Zum anderen werden aktuelle Ereignisse in den Kontext gesetzt.

Kulturabdruck: Wie sehen Ihre weiteren Planungen aus?

Friederike Mayer: Ende April finden unsere Studiotage statt, in denen sechs Folgen „KLIMA° vor acht“ produziert werden. Konkrete Planungen für die Zeit danach gibt es noch nicht, da wir erstmal abwarten müssen welche Resonanz wir bekommen, wie die ARD reagiert und wie sich andere positionieren. Unser Ziel ist es in erster Linie, die Klimaberichterstattung voranzutreiben.
Vor kurzem hat der Privatsender RTL unsere Idee aufgegriffen und plant nun ein kurzes Klimaformat zur besten Sendezeit. Diesen Schritt begrüßen wir sehr und werden, nachdem der Sender auf uns zugekommen ist, einen Austausch mit RTL über die Gestaltung des Kurzformats beginnen.
Wir hoffen, dass ein Sendeformat entsteht, das unserer Vorstellung von guter Klimaberichterstattung entspricht. Unser Ziel, die öffentlich-rechtlichen Sender von der Idee zu überzeugen und sie dazu zu motivieren, selbst so ein Format zu entwickeln und umzusetzen, besteht aber weiterhin.

Kulturabdruck: Mittlerweile zählt „KLIMA° vor acht“ 30 aktive Mitglieder. Wie ist es zu der Initiative gekommen?

Friederike Mayer: Schon 2019 forderten zwei Frauen in einer Petition, dass „Börse vor acht“ abgeschafft und durch „KLIMA vor acht“ ersetzt wird. Mit den beiden Damen stehen wir im Austausch, sie sind aber nicht Mitglieder bei uns.
Zur gleichen Zeit haben sich die „Grannies for future“ in Köln der Forderung nach einem eigenen Sendeformat angeschlossen und hunderte Briefe an die Zuständigen geschrieben. Mitte 2020 hat „Extinction Rebellion“ mit der Forderung nach einem entsprechenden Format den NDR blockiert.
Bislang ist das Engagement auf Ablehnung oder Ignoranz gestoßen. Aus diesem Gefühl heraus haben sich ein paar Leute, die sich schon vorher kannten, zusammengetan und überlegt, welchen anderen Weg man einschlagen könnte. Schnell sind weitere Personen über persönliche Netzwerke und durch die zunehmende Präsenz auf Twitter hinzugekommen.
So hat sich die Initiative entwickelt. Aktuell sind wir über ganz Deutschland verteilt. Es ist schön zu sehen, wie sehr die Leute diese Idee einer Klimaberichterstattung antreibt.
Aktuell kann man uns am besten unterstützen, indem man den offenen Brief unterzeichnet und unsere Idee verbreitet: Reichweite über Social Media erzeugen, indem man unsere Beiträge liked und teilt, anderen von unserem Anliegen erzählen.

Kulturabdruck: Um die ersten Episoden von „KLIMA° vor acht“ zu finanzieren, haben Sie einen eher unkonventionellen Weg eingeschlagen: Warum haben Sie vergangenen Herbst auf Crowdfunding gesetzt?

Friederike Mayer: Sicherlich hätte man auch andere Wege einschlagen können, aber wir haben gesehen, dass wir mit unserem Anliegen nicht alleinstehen. Daher haben wir uns bewusst für das Crowdfunding über Startnext entschieden, um ein unabhängiges Format zu realisieren. Der Erfolg gibt uns recht, es war die richtige Entscheidung: Den angezielten Finanzierungsbetrag von 20.000 Euro hatten wir innerhalb von 3,5 Stunden zusammen.
Am Ende der Kampagne hatten sich so viele Unterstützer gefunden, dass sich der Betrag verdoppelt hat. Wir haben einen Nerv getroffen. Denn viele Menschen merken, dass der Klimawandel nicht in 20 Jahren stattfindet, sondern wir uns bereits mittendrin befinden. Die Dürresommer der vergangenen Jahre beispielsweise machen das Thema unmittelbar erfahrbar.

Kulturabdruck: Sie haben am 22. März einen offenen Brief an die ARD veröffentlicht, um Ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen. Rund 185 namhafte Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur und Medien gehören zu den Erstunterzeichner:innen. Christoph Schmidt, geschäftsführender Redakteur bei der ARD, äußerte die Kritik, es handle sich um eine parteiische Interessengruppe. Wie sehen Sie das?

Friederike Mayer: Diese Aussage drückt sehr gut aus, wie die ARD das Thema einordnet. Es ist ein beliebter Schachzug, jemanden als parteiisch oder aktivistisch zu labeln, um das Anliegen von vornherein zu diskreditieren. Diese Sichtweise ist in diesem Fall allerdings ziemlich bedenklich, da der Klimawandel kein parteipolitisches Thema ist.
Es handelt sich um ein Querschnittsthema, das sämtliche Bereiche unseres Lebens betrifft. Mobilität, Migration, Kriminalität – um nur einige zu nennen. Nachts mal eine Sendung dazu auszustrahlen, ist längst nicht mehr adäquat.
Wir benötigen ein regelmäßiges, am besten tägliches Format, das dieses Thema adressiert, das Antworten auf drängende Fragen gibt. Wir können den Klimawandel nicht stoppen, aber wie gehen wir damit um, wie bereiten wir die Gesellschaft auf die Herausforderungen vor?
Zu behaupten, eine entsprechende Berichterstattung basiere auf politischem Interesse, halte ich für sehr problematisch. Dass wir der Börse diese Sendezeit zugestehen und dem Klimawandel nicht, zeigt, dass wir falsche Prioritäten setzen.

Kulturabdruck: Vielen Dank für das Gespräch!