Propaganda

Braune Relikte (25): Film-Kurier zu „Der ewige Jude“ und Filmkritik zu „Jud Süß“

Das Medium Film gehörte zu den Hauptpropagandamitteln des Nationalsozialismus. In emotionalisierenden Bildern bereiteten antisemitische Propagandafilme wie „Jud Süß“ oder „Der ewige Jude“ den Völkermord an der jüdischen Bevölkerung ideologisch vor. Die verbale, akustische und visuelle Diffamierung jüdischer Menschen auf der Leinwand senkte Hemmschwellen und bahnte den Weg für die Gaskammern von Auschwitz, Belzec, Majdanek, Sobibor, Treblinka …

Am 9. November 1939, ein Jahr nach der Reichspogromnacht, notierte Joseph Goebbels in sein Tagebuch: „Flug nach München. Unterwegs Manuskript zu dem Film ‚Jud Süß‘ gelesen. Die Muster ausgezeichnet geworden. Der erste wirklich antisemitische Film.“ Und zehn Tage später: „Ich protestiere beim Führer dagegen, daß die Juden bei der Lebensmittelzuteilung gerade so behandelt werden wie die Deutschen. Wird gleich abgeschafft. Ich erzähle dem Führer von unserem Judenfilm. Er gibt dazu einige Anregungen. Überhaupt ist der Film augenblicklich für uns ein sehr wertvolles Propagandamittel.“ Für NS-Funktionäre wie den „Minister für Volksaufklärung und Propaganda“ war der gelebte Antisemitismus wesentlicher Teil des politischen Handelns.

Der damals als „künstlerisch und politisch besonders wertvoll“ sowie „jugendwert“ geltende Propaganda-Film „Jud Süß“ war einer der zentralen antisemitischen Produkte aus Goebbels Ministerium. Hintergrund ist die Geschichte des Frankfurter Hofjuden Süß Oppenheimer, der 1733-38 als Finanzrat an den Hof des Württembergischen Herzogs Karl Alexander geht. Die Figur wird filmisch dämonisiert. Der Publikumserfolg spielte mehr als 6,2 Mio. RM ein. Schon kurz nach der Uraufführung am 24. September 1940 im Berliner Ufa-Palast wurde der Film auch in Osnabrück propagandagerecht vorgestellt.

In seiner Filmkritik mochte der Journalist Otto Föge den Film „als einen weiteren und nicht unwesentlichen weltanschaulichen Beitrag Deutschlands für die Neuordnung Europas ansehen. Denn in dieser neuen Ordnung unseres verjüngten Erdteils wird für das Judentum kein Platz mehr sein.“ Die Schauspieler würden „den typischen Juden mit einer Vollkommenheit verkörpern, daß einem der Atem stockt. Diese gutturalen Laute im Frankfurter Ghet[t]o, in der kerzenerhellten Synagoge, dieses Lippenschieben und dieser eiskalte Haßblick, dieses Mauscheln mit den Händen – das alles bedeutet für einen deutschen Künstlers doch ein hohes Maß von Selbstverleugnung.“

Im Gegensatz zu Veit Harlans subtilem Unterhaltungsfilm zeigte „Der ewige Jude“ ab Ende November 1940 direkte antisemitische Propaganda. Er wurde als angeblicher Dokumentarfilm angelegt: „Mit Originalausschnitten aus Filmen jener Zeit wird drastischer, als es Worte vermögen, die alles in den Schmutz ziehende und zersetzende Tendenz dieser jüdischen Machwerke aufgezeigt.“ Film wie Programmheft geben bildstark die angestrebte Dichotomie von Gut und Böse wieder:

Der Jude hat sich in seinem Äußern stets an seine Gastvölker anzupassen verstanden. Nebeneinanderstellungen der gleichen Judentypen, zuerst als Ostjude mit Kaftan, Bart und Peies [= Schläfenlocken orthodoxer Juden], und dann als glattrasierter westeuropäischer Jude, beweisen schlagend, mit welchen Mitteln er die arischen Völker getäuscht hat. […] In leuchtendem Gegensatz dazu schließt der Film nach diesen furchtbaren Szenen [= Tierschächtung] mit Bildern deutscher Menschen und deutscher Ordnung, die den Besucher mit dem Gefühl tiefster Dankbarkeit erfüllen, diesem Volke angehören zu dürfen, dessen Führer das Judenproblem grundlegend löst.

Die gewünschte Wirkung blieb nicht aus: Nach Filmvorführungen kam es vereinzelt zu spontanen antisemitischen Demonstrationen. In den besetzten Ostgebieten wurde der Film Nichtjuden vor Deportationen gezeigt, um einem etwaigen Widerstand gegen die Maßnahmen vorzubeugen.

 

Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.