Rassenwahn und völkisches Denken

Braune Relikte (12): Wandtafel für den rassen- und vererbungskundlichen Unterricht.

Die „Blut- und Boden“-Ideologie des NS verklärte nicht nur das Bauerntum, sie übertrug auch Vorstellungen der Tierwelt auf den Menschen. Die pseudo-wissenschaftlich begründete, menschenverachtende Rassentheorie hielt bestimmte Menschen für „rassisch minderwertig“ oder „nicht lebenswert“ und legitimierte so Stigmatisierung und Sterilisierung, Vernichtungskrieg und Vertreibung, Völkermord und Shoah.

Die Ideologie einer NS-Rassentheorie war wichtiger Teil des Schulunterrichts. Sie wurde pseudowissenschaftlich legitimiert und konnte auf im 19. Jahrhundert gründende, weit verbreitete Ansätze zurückgreifen. Unterrichtsmaterialien wie diese Wandkarte dienten dazu, die junge Generation u.a. auf einen ideologisch geführten Rassenkrieg vorzubereiten, der die Menschheit nach über- und unterlegenen „Rassen“ kategorisierte.

Neben der Schule wurden Propagandaausstellungen für eine publikumswirksame Verbreitung dieser Ideen konzipiert. Der ‚aufklärende‘ pädagogische Effekt solcher programmatischer Propagandaschauen wie „Deutsches Volk – Deutsche Arbeit“, „Volk und Rasse“ oder „Ewiges Volk“. bestand vor allem darin, politische Entscheidungen von der Erbgesetzgebung bis zur Kriegsvorbereitung, bei denen mit Widerständen innerhalb der Bevölkerung zu rechnen war, ideologisch vorzubereiten.

Die Propagandaschau „Erbgut und Rasse im Deutschen Volk“ warb für das am 15. September 1935 verabschiedete „Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ sowie als rückwirkende Legitimation des „Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933. Die Wanderausstellung gastierte im Februar 1935 in Osnabrück. Sie behandle, so NSDAP-Kreisleiter Münzer bei der Eröffnung, „eines der maßgebendsten Probleme der nationalsozialistischen Weltanschauung “.

Auf einer Wandtafel für den rassen- und vererbungskundlichen Unterricht wurde u.a. zwischen „Nordisch“, „Fälisch“, „Ostisch“, „Ostbaltisch“, „Mittelländisch“, „Orientalisch“, „Dinarisch“ und „Vorderasiatisch“ unterschieden.

Die Ausstellung entstand mit engster Unterstützung der NSDAP und sollte dazu beitragen, „in weitesten Kreisen der Bevölkerung Verständnis für die nationalsozialistische Rassegesetzgebung zu wecken und die Grundgedanken rassepolitischer Gesetzgebung ins Volk zu tragen.“ Die „Nürnberger Gesetze“ legalisierten die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung. Die Ausstellung nahm das Individuum im Sinne der „Erbgesundheit“ in die Verantwortung. Der Mensch trat dabei in den Hintergrund. Stattdessen legitimierte die Klassifizierung in „Erbkranke“ und „Erbgesunde“ die Diskriminierung und spätere Tötung bestimmter Bevölkerungsteile, die im Sinne der Ideologie als nicht lebenswert eingestuft wurden. Aus kranken Menschen wurden „Idioten und Verbrecher“, die für die Gesellschaft nur eine Belastung darstellten und Kosten verursachten, weshalb sich – im Sinne der Gemeinschaft – ihre Sterilisierung rechtfertigen ließ. Ihr Makel wurde pseudosakral als Sünde verkleidet, die Schuld daran somit dem Individuum zugewiesen.

Eines der zentralen nationalsozialistischen Anliegen war es, dass jeder Einzelne hinter die Bedürfnisse der „Volksgemeinschaft“ zurücktrat: Er sei „biologisch-völkisch gesehen, nur Träger der Erbmasse und Erbsubstanz […], die ihm von seinen Ahnen aus mehrtausendjähriger Vergangenheit überkommen ist.“ Diese ideologische Botschaft sollte durch das in seinem Gewissen beeinflusste Publikum nach außen weitergetragen werden: „Jeder Besucher wird sich die Frage vorlegen: Wie steht es nun mit dir, wie stehst du zu all diesen Dingen? Wer ein Kämpfer für deutsche Zukunft sein will, und das soll und muß jeder deutsche Volksgenosse sein, der muß den Gedanken der rassepolitischen Erziehung in sich aufnehmen und für seine Verbreitung sorgen.“

 

Zu dieser Serie
Es ist die Geschichte einer Stadt, doch was hier geschah, ereignete sich auch in vielen anderen deutschen Städten. Die Serie „Braune Relikte“ basiert auf der Sammlung Nationalsozialismus, die sich im Museumsquartier Osnabrück befindet. Anhand von Objektbiografien wird die Geschichte des Nationalsozialismus mit seinen Ursachen und Folgen veranschaulicht. So entsteht ein virtueller Lernraum, der die Fundstücke einer Diktatur analysiert, um Lernprozesse für demokratische Gesellschaften zu ermöglichen.