Recke, Drache, Lindenblatt

Teil 2 unserer Drachen-Serie aus dem Archiv Historische Bildpostkarten zeigt einen Drachen, der als gefährlicher Widersacher der Menschen auftritt, bekannt aus der mittelalterlichen Nibelungensage. Er ist ein wichtiger Darsteller in einem Ufa-Film, einem Stummfilm über die Nibelungen aus dem Jahr 1924. Regie führte Fritz Lang, Drehbuchautorin war Thea von Harbou, Komponist Gottfried Huppertz, und den Siegfried spielte Paul Richter.

Dieser Drache, Hüter unermesslicher Goldschätze, stößt feurigen Atem aus und bespeit mit seinem giftigen „Geifer“ jeden, der ihm in die Quere kommt. Sein Kontrahent ist Siegfried, der sich ihm entgegenstellt, auf Leben und Tod gegen ihn kämpft und ihm zuletzt ein Auge aussticht. Diese Situation gibt die vorliegende, vom Kunstverlag Leo Stainer herausgegebene und von Ufachrom, einer Gesellschaft für Farbenfotografie, bearbeitete Abbildung eindrucksvoll wieder. Sie gilt als spektakulärer Höhepunkt des ersten Nibelungen-Filmes von Fritz Lang.

Im vorliegenden Bild hängt das Untier mit dem Kopf nach unten schlaff über der Felskante und lässt – wenn man es mit der Gestalt Siegfrieds vergleicht, der im Blut des Giganten badet – die Dimensionen ahnen, unter denen es filmisch in Erscheinung getreten ist. Man brauchte 17 Männer, um das riesige ‚Tier‘ in Bewegung zu setzen und besondere Maßnahmen zur möglichst drastischen Darstellung seines Todes. Hier quillt aus dem zerquetschten Auge dunkle Gewebemasse, und ein Strom von Blut ergießt sich den Felsen hinunter in ein Gewässer, das sich tief gerötet hat.

Siegfried wendet dem Betrachter den Rücken zu, wobei Kenner der Sage die kleine, von einem Blatt bedeckte Stelle unterhalb der linken Schulter entdecken sollen, die seine Unverwundbarkeit aufhebt. Genau dort wird ihn sein Erzfeind Hagen mit seinem Speer treffen und damit letztlich das Ende der Götterwelt einläuten.

Die wirkungsvollste Adaption der Nibelungensage hat Richard Wagner 1871 mit seiner Oper „Siegfried“ hinterlassen. Der dritte Teil der Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ ist auf Bildpostkarten aus der Zeit des deutschen Kaiserreiches mit zahlreichen Beispielen vertreten. Hier erscheint der Opern-Drache jedoch oft nicht ganz so großartig wie im späteren Film. Zwar ist er visuell immer noch ein ‚Scheusal‘, wird aber von einigen Malern nicht als gleichrangiger Gegner ernst genommen, wenn er auch mit seiner ➤ „zierlichen Fresse“ – so Richard Wagner – Angst erregen soll. Der Sage nach triumphiert aber selbstverständlich immer Siegfried, der ‚blonde deutsche Recke‘.

Auf anderen bildlichen Darstellungen zieht es der Drache vor, aus Bereichen der Kunst, Musik und Literatur auszuwandern und sich zum Beispiel in die Politik der Welt einzumischen, wobei ihm die Aura der Gefahr aus den alten Zeiten allerdings immer noch anhängt.